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Ein Schuss! an vier Flüssen – Der Vietnamkrieg und seine traumatischen Inszenierungen in „The Deer Hunter“ (R: Michael Cimino, USA 1978)

Diese Arbeit entstand im Rahmen des Proseminars „Trauma visualisieren: Historische Topoi, Theorien und filmische Inszenierungen“ bei Julia Barbara Köhne im SS 2013 am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Dabei sollten die Umsetzungen von Traumatheorien in Filmen behandelt werden. Der vorliegende Text behandelt den Film „The Deer Hunter“. Viel Spaß beim Lesen!

1.  Einleitung

Der Vietnamkrieg und besonders seine filmische Aufarbeitung faszinieren mich schon, seit ich als Teenager Filme wie Apocalypse Now, Platoon, Full Metal Jacket oder The Deer Hunter gesehen habe. Die Behandlung des Kriegsthemas und vor allem die Konzentration auf die Personen und deren geistige Verfassung haben mich damals schon in ihren Bann gerissen. Im Rahmen des absolvierten Seminars wurde mir die wissenschaftliche Grundlage zur Behandlung des Themas Trauma im Film und medizinische sowie geisteswissenschaftliche Überlegungen dazu vermittelt.

Ziel der vorliegenden Untersuchungen zum Film The Deer Hunter soll eine umfassende Behandlung des im Film dargestellten Themenkomplexes Vietnamkrieg, Gesellschaft und Posttraumatische Belastungsstörung (Engl. Post – Traumatic Stress Disorder PTSD) sein. Dabei soll nach einer Vorstellung des Film – Plots zunächst die Zusammenhänge zwischen den traumatischen Erlebnissen von US – Soldat_innen in Vietnam und der Entwicklung und Diagnose von PTSD nachgezeichnet werden. Im weiteren Schritt wird der medizinische Komplex Trauma mit dem medialen Komplex Film verknüpft und zu einem Close Reading von The Deer Hunter übergeleitet. Dabei werden die Überlegungen aus dem theoretischen Teil bezüglich Trauma, Männlichkeit, Umsetzung von amerikanischen Mythen und Vietnam auf den Film projiziert, wobei ein besonderes Augenmerk auf die zwanghafte Wiederholungsstruktur innerhalb der Geschichte gelegt wird.

2.  Die durch die Hölle gehen

The Deer Hunter  (Deutscher Titel: Die durch die Hölle gehen) ist ein Film des Regisseurs Michael Cimino, der seine Premiere im Dezember 1978 in den USA feierte und bei der Oscar – Verleihung 1979 unter anderem den Oscar als „Bester Film“ erhielt.[1]

Der Film hat eine Länge von 182 Minuten und  umfasst drei nahezu gleich lange Teile. Diese lassen sich als Zeit vor dem Krieg, Zeit während des Krieges und Zeit nach der Rückkehr unterscheiden. Der Regisseur verarbeitet dabei die Geschichte von drei Soldaten und deren sozialen Umfeld zur Zeit des Vietnamkrieges in einem chronologischen Ablauf.

Die zeitliche Zuordnung zu Beginn des Filmes wird zwar nicht explizit beantwortet, lässt sich jedoch über zwei Stränge beantworten. Im narrativen Strang wird im ersten Drittel des Filmes mehrfach der Song Can´t take my Eyes off you von Frankie Vallie gespielt und enthusiastisch mitgesungen, der 1967 Platz Nummer 2 der Billboard Hot 100[2] erreichte. Im wissenschaftlichen Strang wird dieser zeitliche Rahmen auch von Raya Morag für alle kanonischen Filme über Vietnam beschrieben:

“During the sixteen years of American involvement in Vietnam most films […]chose to describe the pre-1968 period; that is, they address the period prior to the Tet Offensive (and therefore, prior to popular American acknowledgement of certainty of defeat)[…]. The time span depicted in the film thus defines a potential for victory.”[3]

Die Hauptpersonen des Filmes sind die 3 Freunde Michael (Robert de Niro), Nick (Christopher Walken) und Steven (John Savage) sowie Nicks Freundin und Michaels heimliche Liebe Linda (Meryl Streep). Im ersten Teil des Filmes führt uns der Regisseur in das kleinstädtische Leben der Personen als Teil einer russischen – ukrainischen Auswanderercommunity im Ort Clairton im US – Staat Pennsylvania ein. Dieser Ort ist geprägt von einem Stahlwerk, in dem auch die drei Hauptfiguren arbeiten, und einem Fluss vor dem Hintergrund der Apalachen. Der Film inszeniert das Leben in der Gemeinde als geschlechtlich getrennte Gesellschaft, in dem die Männer nach der Arbeit im Stahlwerk in eine Bar gehen, laufend Spiele und Wetten bestreiten und auf die Hirschjagd in die Berge fahren, während die Frauen mit Hochzeitsvorbereitungen oder der Pflege des suchtkranken Vaters (im Falle von Linda) beschäftigt sind. Der erste Teil entwickelt also eine aus der Sicht der Männer heile, patriarchale Welt mit klar zugeteilten Aufgaben und Rollenbildern in der Gesellschaft.

Robert de Niro als Michael wird dabei als Einzelgänger oder Hunter des Frontier Myth dargestellt, dessen Maskulinität als Sieger und als Subjekt der Dominanz nach Richard Slotkin[4] gezeigt wird. Dies wird schon bei der Hochzeit von Steven mit Angela klar, wo er sich von den feiernden Gästen und auch seinen Freunden zum größten Teil separiert. Die russisch-orthodoxe Hochzeit wird vom Regisseur ausgiebig über 15 Minuten inszeniert, was dem Zuschauer nochmal die vorherrschende Normalität und gepflegte Tradition verdeutlichen soll. Diese wird einzig durch den Zwischenfall ihres Freundes Stanley, der seine Freundin schlägt, und durch das Auftauchen eines Green Berets gestört, der bereits eine Vorahnung auf das Kommende gibt und auf die Frage Michaels, wie es denn in Vietnam sei, nur ein mehrfaches „Fuck it“ übrig hat. Verstärkt wird die Darstellung Michaels durch die den ersten Teil beschließenden Jagdszenen und seiner Philosophie des One Shot, die er schon im Gespräch mit Nick und damit dem Zuschauer erklärt.[5]

Der zweite Teil des Filmes beschreibt die Traumatisierung der drei Freunde durch ihre Erlebnisse in Vietnam. Der Einstieg in den Krieg wird dabei durch Michaels Beteiligung an den Kampfhandlungen gezeigt. Der Regisseur zeigt uns dabei einen harten, schonungslosen Übergang vom Leben in der Kleinstadtgemeinschaft in die Verbrechen des Vietnamkrieges anhand der Auslöschung einer Dorfgemeinschaft durch einen Vietkong. Gleich im Anschluss wird dieser durch den verletzten, wieder erwachten Michael mittels eines Flammenwerfers getötet, bevor seine Freunde Nick und Steven eher zufällig auf Michael treffen. In der nächsten Szene sind die drei Soldaten als Gefangene in einer kleinen Hütte an einem Fluss zu sehen. Dort werden sie gezwungen, an einem Russischen Roulette – Spiel teilzunehmen. Nachdem Steven in einem Käfig voller Ratten im Fluss gesperrt wird, müssen Michael und Nick gegeneinander antreten, wobei Michael den Plan fasst, die Vietkong mit 3 Kugeln im Revolver des Spiels zu töten und zu flüchten, was auch gelingt. Entgegen seiner vorherigen Ankündigung, Steven zurück zu lassen, gelingt allen drei die Flucht, auf der sie allerdings getrennt werden. Am Ende des zweiten Teils entdeckt Nick ein Lokal in Saigon, wo das Russische Roulette als Wettspiel zwischen zwei Freiwilligen gezeigt wird. Nachdem er dort zuerst von Michael erblickt wird und anschließend die Pistole der Spieler selbst ansetzt und abdrückt, flüchtet er im darauffolgenden Tumult und hängt Michael mit Hilfe des Franzosen Julien ab.

Der dritte Teil des Filmes behandelt den Umgang der drei Soldaten mit den Erlebnissen in Vietnam, aber auch der Gesellschaft mit dem Krieg und den Heimkehrern. Der Schwerpunkt wird dabei auf Michael gelegt, der zunächst die von seinen Freunden und Linda geplante Willkommensparty verstreichen lässt und an den Fluss – das Riverside Motel – zurückkehrt, und erst am nächsten Morgen, als nur mehr Linda im Haus ist, wieder in die Gemeinschaft der Kleinstadt langsam eintritt. In einer zweiten Jagdszene in den Bergen hat er bereits den Hirsch im Visier, schießt dann jedoch absichtlich daneben, womit das Paradigma des One Shot gebrochen ist. In der nächsten Szene sitzt er am Wasserfall eines Flusses und schreit fragend  OKAY?, dass mit einem Echo beantwortet wird. Noch immer in den Bergen erlebt er, wie sein Freund Stanley, wild schreiend und gestikulierend wie der Vietkong in der Hütte, Axel eine Pistole vors Gesicht hält, was Michael dazu bringt, das Russische Roulette Spiel an Stanley ein vermeintlich letztes Mal zu exerzieren und anschließend die Pistole weg zu werfen.

Nach diesen Erlebnissen in den Bergen beginnt die Aufarbeitung seiner Erlebnisse. Er kann wieder in seinem Haus und dort mit Linda schlafen. Nachdem er den am Rollstuhl gefesselten Steven aus dem Veteranenspital zu seiner Frau zurückholt, macht er sich in einem zunehmend chaotischen, brennenden Saigon auf die Suche nach Nick und findet ihn beim Russischen Roulette. Nachdem Nick Michael zunächst nicht erkennt, wird ihm die Vergangenheit bei den Worten Michaels, der ihm am Spieltisch gegenüber sitzt, klar. Bei den Worten One shot! entreißt der heroinabhängige Nick Michael die Pistole, in der dieses Mal eine Kugel im Lauf ist. Der Film endet mit der Trauerfeier für Nick, wo seine Freunde God bless America anstimmen, trotz allem.     

3.  Die durch die Hölle gingen

“The Vietnam War silenced many hundreds of thousands of American men and women with the pain of mental and physical disabilities”[6]

3.1    Vietnam und die Folgen – Posttraumatische Belastung

Im Vietnamkrieg der USA betraten die ersten regulären Kampfverbände nach dem Koreakrieg im März 1965 asiatischen Boden. Der Krieg, der mit der Einnahme Saigons durch nordvietnamesische Truppen am 30.April 1975 für die USA verloren war, endete für die Vereinigten Staaten mit 59,235 Toten und etwa 300.000 Verwundeten, wobei ca. 33.000 gelähmt blieben und es 6.665 Amputationen gab.[7] Nach Angaben der National Vietnam Veterans Readjustment Study (In Folge NVVRS) konnte bei etwa 15,2% der bei direkten Kampfhandlungen eingesetzten männlichen Soldaten (Engl. Vietnam Theater Veterans im Gegensatz zu den Vietnam Era Veterans, die für Unterstützung sorgten) Anzeichen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (Engl. Post Traumatic Stress Disorder, In Folge PTSD) – etwa 500.000 Männer und 8,5% der 7.200 Soldatinnen, die in Kampfhandlungen eingesetzt wurden, festgestellt werden.[8] Weitere 350.000 Personen litten an einer partiellen PTSD zum Zeitpunkt der Untersuchungen. Insgesamt konnten laut diesem Bericht über 960.000 Männer und 1.900 Frauen, die Kampfhandlungen ausgesetzt waren, zu einem Zeitpunkt ihres Lebens nach PTSD qualifiziert werden. Kritische Stimmen in den 90er Jahren wie Eric Dean Jr. sprechen von einem regelrechten Fetisch für PTSD, der dazu führte, dass die ganze Bevölkerung der USA an PTSD litt und die Schuld des Krieges auf sich nahm:

„PTSD formed a perfect bridge between the horror of combat in Vietnam and the supposedly widespread readjustment problems of its veterans.[…] The fascination with Post-Traumatic Stress Disorder and guilt over the war reached the point in the early 1980s […]. As PTSD seemed to become the ´disorder du jour´, the possibility was raised that practically the entire population of the United States was suffering from some sort of PTSD or associated guilt syndrome related to the Vietnam War.”[9]

PTSD wurde erstmals 1980 als psychiatrische Krankheit von der American Psychiatric Association anerkannt und konnte nach dem Third Diagnostic and Statistical Manual (DSM-III) diagnostiziert werden. The Wurzeln des Syndroms liegen dabei schon im 19. Jahrhundert, und wurden als railway spine bekannt.[10] Im Zusammenhang mit psychologischen Problemen von Kriegsveteranen wurden die auftretenden Symptome schon im amerikanischen Bürgerkrieg als nostalgia oder irritable heart bezeichnet. In den Kriegen des 20. Jahrhunderts wurden die Folgen von traumatischen Erlebnissen als combat fatigue oder shell shock diagnostiziert.[11] Die Auslöser der Krankheit sind dabei neben Erfahrungen im Kriegs- und Kampfeinsatz auch in der Partizipation bei sexuellem Missbrauch und Misshandlungen von Kindern, Terrorattacken, sexuellen oder physischen Angriffen, schweren Unfällen oder Naturkatastrophen zu finden.[12]  

3.2    Trauma – Vietnam – Film – Trauma

Die Auslöser für das Trauma sind im Falle der Vietnam – Erfahrungen der SoldatInnen und im vorliegenden Film der Kriegs- und Kampfeinsatz sowie physische Übergriffe. Auf solche Erfahrungen verweist schon die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Trauma, welches aus dem altgriechischen kommt, und Verwundung, Verletzung, Durchbohrung bedeutet.[13] Aus der körperlichen Bedeutung des Wortes wurde innerhalb der Entwicklung der Psychoanalyse daraus

„[Ein] Ereignis im Leben des Subjekts, das definiert wird durch seine Intensität, die Unfähigkeit des Subjekts, adäquat darauf zu antworten, die Erschütterung und die dauerhaften pathogenen Wirkungen, die es in der psychischen Organisation hervorruft.“[14]

und in 3 Ebenen erfolgt – heftiger Schock, Einbruch und Folgen für die ganze Organisation.[15]

Bei PTSD handelt es sich um eine Reaktion auf ein außergewöhnlich belastendes Lebensereignis, welches als direkte Folge des Geschehens eintritt. PTSD kann dabei auch als erste Ebene einer Dissoziation betrachtet werden, wobei „das traumatische Ereignis abgespalten“ wird, oder sogar „umfangreiche emotionale Systeme aus dem alltäglichen Selbsterleben abgetrennt werden“[16]. In der heute gültigen Klassifizierung der posttraumatischen Belastungsstörung[17] werden die typischen Merkmale mit dem

wiederholten Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinngerungen, flashbacks), […] vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein, und emotionaler Stumpfheit, Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, […]sowie Vermeidung von Situationen, die Erinnerung an das Trauma wachrufen können.“

angegeben. Dabei kann es auch „zu dramatischen akuten Ausbrüchen von Angst, Panik oder Aggressionen, ausgelöst durch ein plötzliches Erinnern[…]“  kommen.

Die auftretende Störung tritt dabei mit einer Latenz von Wochen bis Monate auf und kann nach vielen Jahren in eine dauernde Persönlichkeitsstörung übergehen.[18]

Das US Department of Veterans Affairs gibt in ihrer Definition von Symptomen für PTSD an, dass es sich um 4 Typen handelt, die unterschieden werden in; Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses, Vermeidung von Situation, die an das Erlebnis erinnern (Handlungen und Personen, die als Trigger dienen), negative Veränderung der Gefühle und Ansichten (Schuld) sowie Übererregbarkeit.[19]

Als Auslöser dieser Symptome wurden in verschiedenen Studien im Zusammenhang mit der NVVRS von Fontana, Rosenheck et al zu Beginn der 1990er Jahre zwei grundlegende Zugänge zu den traumatischen Ereignissen unterschieden. Dies waren auf der einen Seite externe traumatische Ereignisse, wie die Partizipation von Kampfhandlungen und die Zeugenschaft oder Teilnahme an Gewalttaten. Der andere Zugang bestand aus der Auswertung von psychologischen (Inneren) Auswirkungen von Ereignissen, die unterteilt wurden in; Ziel eines Angriffs, Zeuge eines Angriffs, Ausführender eines Angriffs, sowie das Versagen, Opfern von Gewalt und Angriffen zu helfen.[20]

Wie weiter oben schon erwähnt, war der Vietnamkrieg gekennzeichnet von einer großen Zahl von Soldat_innen, bei denen später PTSD diagnostiziert wurde. Dies war aber nur ein Punkt, der die Vietnam – Veteran_innen für einige Zeit zu „einmaligen“ Veteran_innen machte, die sich von den anderen unterschieden. Die Gründe dafür, die Eric Dean Jr. in seinem Buch erwähnt, sind die sehr schnelle Rückkehr der Soldat_innen durch Flugzeuge (und nicht mit dem Schiff), die keine Akklimatisierung erlaubte und der damit verbundene vermeintlich schnelle Wechsel in die Realität[21], dass durch den Kriegsverlauf bedingte Fehlen von Willkommens- oder Siegesparaden (die in den 1980ern nachgeholt wurden)[22], aber auch die im Krieg erstmalig angewandte psychologische Betreuung in den Lazaretten und Spitälern in Vietnam.[23] Gerade in den späten 1970ern wurde diese Einmaligkeit herausgestrichen, bedingt durch die Diskursivierung von PTSD, Agent Orange und der hohen Selbstmordrate unter den ehemaligen Soldat_innen.

Nach dieser Latenzzeit, die es brauchte, um die traumatischen Erlebnisse aufzubereiten, wurden auch die ersten Filme, die sich mit dem Krieg in Vietnam beschäftigten, produziert.[24] Dabei konzentrierten sich die Regisseur_innen und Drehbuchautor_innen anders als in den Filmen über den Zweiten Weltkrieg nicht auf die physischen, sondern auf die psychischen Auswirkungen des Krieges;

„[…]films usually depict the Vietnam veteran as a psychically maddened and violent man inexplicably subject to moments of rage, physical violence, emotional frigidity, and flashbacks, not like the World War II veteran who returns, albeit feminized, as a hero to a welcoming society.”[25]

Dies führt auch zur Frage nach einer im Falle der männlichen Soldaten Beeinträchtigung ihrer maskulinen Identität durch körperliche oder seelische Schäden in Folge des Krieges. Wenn in Filmen nach dem Zweiten Weltkrieg, so Boyle, noch der kulturell-soziale Kontext die körperliche Beeinträchtigung (Amputationen, Querschnittslähmungen) der Soldaten als „heroic disability, as the men were regarded deliberately ´sacrificing´themselves[…]for the sake of the country“ diese auf die Spitze einer „disability hierarchy […] and masculinity hierarchy“ hob, wurden Soldaten mit seelischen Schäden als temporär beeinträchtigt dargestellt, was mit Hilfe der Liebe einer guten Frau bewältigbar wäre, und diese am Boden der Hierarchie stellte[26]. Dies führte im späteren Vietnamkriegsfilm zu Problemen.

Denn auf Grund dieser aufgestellten Hierarchie in Zusammenhang mit einem Krieg, an dessen Ausgang es einen hohen Prozentsatz psychisch traumatisierter Soldaten gab, die noch dazu den Krieg verloren hatten, mussten neue Strategien gefunden werden, die den seelisch (und natürlich tlw. auch körperlich) traumatisierten Veteranen als „maskulinen Mann“ darstellen, argumentiert Boyle. Dies ist auch notwendig, um die heroische Figur des Kriegsheimkehrers, wie es die amerikanische Mythologie verlangt, wieder herzustellen.[27]

In Filmen wie First Blood (R: Ted Kotcheff, USA 1982) oder Missing in Action (R: Joseph Zito, USA 1984) wird dies weitaus offensichtlicher, und plumper, aufgelöst, als dies in The Deer Hunter, aber auch Apocalypse Now! oder Taxi Driver der Fall ist. Während bei den Ersteren oberflächlich betrachtet (aus einer Perspektive der Populärkultur und des Hollywood – Mainstreams) eine simple Vernichtung der Feinde die Männlichkeit der Soldaten wieder herstellt, verhandeln letztere das Thema der Traumatisierung wesentlich ausführlicher und differenzierter. In Folge möchte ich die Herangehensweise des Regisseurs, die mehrfachen Traumastränge in The Deer Hunter zu erzählen, näher untersuchen und die Frage beantworten, ob diese Filme tatsächlich auch wieder die Maskulinität herstellen können.

4.  Traumatische Inszenierungen?

Die Fachliteratur spricht davon, dass traumatische Erlebnisse das bewusste Erinnern und die Repräsentation des Geschehenen vorerst scheitern lassen und narratives Erinnern verunmöglicht wird.[28] Im Gegensatz dazu setzt das traumatische Gedächtnis ein, das nicht chronologisch erzählt, sondern eine mentale Zeitlinie herstellt; „The basis for representation is not narrative remembrance, but traumatic memory; not chronological, but mental time; not the real event, but the virtual one.”[29]

Dabei eignet sich diese besondere Erinnerungsform besonders gut, sie filmisch umzusetzen – die „besondere zeitliche Struktur der Nachträglichkeit, Latenz, Indexikalität und Wiederholung“ lassen „Parallen zu derjenigen des Mediums Film erkennen“ und kann diese „parallel auf der narrativen, visuellen und akustischen Ebene inszenieren“.[30]

Im folgenden Close Reading des Filmes soll daher die Repräsentation der traumatisierenden Ereignisse und deren Auswirkungen, wie auch die Auflösung der Traumata behandelt werden. Dabei sollen speziell die Fragen nach dem Verlust der Männlichkeit, die Traumatisierung der männlichen Hauptfiguren und Linda bzw. Angela behandelt werden, die auch direkt überführt in ein Trauma der gesamten amerikanischen Gesellschaft, wie ich unter Zitierung von Dean Jr. schon weiter oben ausgeführt habe. Es sollen dabei auch Querverweise zu den Ausführungen zu PTSD aus dem vorstehenden Kapitel eingegangen werden, bzw. wie diese im Film repräsentiert werden.

4.1       Spiele und Wiederholungen

Der Film mit seinen 3 Teilen ist massiv geprägt von sich wiederholenden Handlungen und wiederkehrenden Motiven, die aber auf Grund des erlebten Traumas nicht mehr oder nur teilweise funktionieren. Das ständig vorhandene Motiv des One Shot! werde ich in einem Kapitel weiter unten noch behandeln. Aber es gibt im größeren Zusammenhang auch andere Szenen, die repetiert werden. Von Beginn an wird die Leidenschaft am Spiel und der Wette gezeigt. Die harmlosen Varianten davon sind die am Beginn gezeigte Autowette und die gleich darauf folgende Footballwette. Auf dem Weg zur Jagd, aber auch während der Abfahrt nach der vermeintlichen Willkommensparty wird der Barmann John zurückgelassen und muss den Autos hinter her laufen. Während der Hochzeit werden ebenfalls diverse Spiele durchgeführt, unter anderem von Nick,  der über ein Bierglass springt, und dabei drei Versuche braucht (!). Oder von Steven und seiner Braut Angela, die in einem traditionellen Hochzeitsbrauch gemeinsam aus einem Doppelbecher trinken müssen. Dort weist der Regisseur das einzige Mal mit Nachdruck auf das bevorstehende Blutvergießen hin. Dabei lässt er uns auf Sprachebene wissen, dass es lebenslanges Glück bringt, wenn ein Tropfen aus dem Doppelbecher verloren geht, während er auf visueller Ebene einen roten Tropfen auf das weiße Kleid fliegen lässt. In diesen Szenen wird also auf die sich nach der Traumatisierung zwanghaften Wiederholungen des Geschehenen schon vorbereitet.

Nach der initialen Traumatisierung in Vietnam und den physischen Verletzungen der Protagonisten werden die Spiele auch auf eine Ebene der physischen Unbeweglichkeit hingeführt. Bei einem Bowlingabend von Stanley, Axel, Linda und dem mit einiger Distanz stehenden Michael wird Axel beim Versuch die feststeckende Kugel zu holen, im Pinaufstellapparat unbeweglich fixiert und gefangengenommen – bis ihn Michael befreit. Im Veteranenspital ist Steven gemeinsam mit anderen Veteranen in seinem Rollstuhl fixiert zu sehen, während die Bingomaschine die Kugeln durch puren Zufall erwählt. Beide Spiele verdeutlichen mit ihren Close – Ups auf die Maschine aber auch die Willkürlichkeit der Auswahl der Kugel, ähnlich dem traumaauslösenden Spiel.[31]

4.2       Am Fluss

Ein wesentlicher Bestandteil der wiederkehrenden Motive für Michael sind die Flüsse, an denen er gezeigt wird. Im Rahmen des Literaturstudiums zum Film wurde dies von keinem der AutorInnen aufgegriffen, wobei ich es als wichtiges Element des Films betrachte. Denn Flüsse führen in verschiedenen antiken Mythologien die Lebenden in das Reich der Toten, trennen also Leben von Tod, Diesseits und Jenseits. Zum anderen ist das Wasser auch Symbol der Quelle des Lebens.

In der griechischen Mythologie gibt es fünf Flüsse der Unterwelt, wobei man vier davon auch in Verbindung mit dem Trauma Michaels und dessen Auswirkungen und Verarbeitung als die mythologische Gestalt des Hunters in Verbindung bringen kann. Dies sind der Fluss des Leidens Acheron, der Fluss des Hasses Styx (der nicht vorkommt), der Fluss des Vergessens Lethe, der Fluss des Wehklagens Kokytos, und der Fluss des Feuers Phlegeton.[32] Nur Michael wird an vier Flüssen in Szene gesetzt, während Steven und Nick nur an einem – den Fluss des Leidens – gezeigt werden.

Acheron

Dieser Fluss im Dschungel in Vietnam ist es auch, wo sämtliche bisherigen „Regeln“ und im ersten Teil des Filmes etablierten Ordnungen mit dem Eindringen des Traumas, das gekennzeichnet ist durch das Nicht – Eindringen der Kugel, zerschlagen werden. Dort wird vor allem, um in der Sprache Richard Slotkins und Raya Morags zu bleiben, der Hunter zum Captive.

            „[the]scenario of entering a death trap depicts masculinity as hanging between two possible subject positions: that of Hunter, that is, a victor, one whose subjectivity is realized according to the codes of dominance; and that of Captive, that is, the defeated, one whose subjectivity collapses, perpetuating helpless. These options are distinctly mythic in nature.“[33]

Dieser Übergang zum Gefangenen signalisiert auch das Ende der Freundschaft zwischen den Dreien, als Michael Nick im Käfig klarmacht, dass sie Steven zurücklassen müssen, da er zu schwach ist. Auch dies resultiert aus der erlittenen Niederlage und Gefangenschaft, nicht nur aus dem Verlust der Moral.[34]

Lethe

Die weiteren mythologischen Flüsse befinden sich dritten Teil des Filmes, in dem Michael wieder eine Rückkehr zur Normalität und der symbolischen Ordnung versucht. Die vorübergehende unmögliche Rückkehr zu dieser und der Versuch des Vergessens werden bei seiner Heimkehr in Szene gesetzt. Noch nicht bereit, in die Gemeinschaft seiner Heimatstadt zu treten, flüchtet er sich auf die andere Seite des Flusses durch Clairton, ins Riverview Motel. Die Trennung von der Stadt wird klar beim Blick aus dem Fenster des Motels, wo hinter dem Fluss seine ehemalige Arbeitsstätte, das Stahlwerk zu sehen ist. Andererseits ist es eine Rückkehr an den Ort des Schreckens – einer Hütte am Fluss, dass man als zwanghafte Wiederholung interpretieren kann. Doch auch dort ist es ihm unmöglich Ruhe zu finden und er wird mit einer langen Kameraeinstellung aus Hüfthöhe weinend, unruhig, an Vietnam denkend in Szene gesetzt. Bei der Heimkehr wird ihm also bewusst, dass er alleine ist, ohne seine Freunde. Reaktionen, die alle mit der Diagnose von PTSD abgedeckt werden.[35]

Dabei wird auch eine Szene wiederholt, die man vorher bei Nick nahezu identisch gesehen hat. Beide ziehen aus einer sehr ähnlichen Geldbörse dasselbe Foto Lindas raus und betrachten es. Nach dieser szenischen Übergabe der Frau von Nick auf Michael, die im ersten Teil bereits persönlich durch eine Übergabe Lindas an Michael beim Tanzen passiert, ist es diesem möglich in sein Haus zurück zu kehren. Doch auch hier schafft er es nicht, von selbst einzutreten, obwohl Linda zweimal verdeutlicht „It´s open“. Es ist zu diesem Zeitpunkt nicht sein Haus, dieses steht an einem Fluss in Vietnam.

Kokytos

Dieser Fluss wird kurz nach der entscheidenden Szene der 2. Jagd in den Bergen eingeblendet. Nachdem Michael den Hirsch leben lässt, indem er zwar abdrückt, aber absichtlich danebenschießt, verfolgt die Kamera Michael von hinten wie er zur Schlucht des Flusses geht. Die nächste Einstellung zeigt über das ganze Bild einen Wasserfall des Flusses und Michael im Profil an den sprichwörtlichen Rand gedrückt, sodass es wirkt, als schreie er den Fluss an. Halb fragend / klagend, halb seine Situation akzeptierend schreit er „Okay?!“. Das Echo scheint seine Frage darauf zu beantworten. Die Rückkehr aus der verlorenen Ordnung – Bruderschaft, Maskulinität, Hunter -unterH scheint zumindest für Michael möglich. Eine Rückkehr die aber instabil ist und durch bestimmte Trigger wieder verloren geht, wie auch die darauf folgende Szene mit Stanley zeigt.

Zur Frage des Echos und Akzeptanz meint John Hellmann in seiner Arbeit zu den Umkehrungen amerikanischer Mythologie in The Deer Hunter, dass Michael die Natur akzeptiert, und nicht mehr als Hunter dominiert, während Nick auf Grund seiner unschuldigen Akzeptanz der Natur („the way the trees are in the mountain“, „I´m over it“ zu Michaels One Shot Philosophie) den Trauma in Vietnam nicht gewachsen ist und dadurch zum „alienated nihilist“ wird, welcher „Michael had seemed potentially“.[36] Morag führt dazu aus, dass Michael zwar eine aktive Rolle als Hunter durch die Flucht, die Rettung seiner Freunde, die Befreiung Stevens und die versuchte Heimholung Nicks wieder einnimmt, diese Rolle jedoch ständig dem Russischen Roulette untergeordnet erscheint.[37]

Michael scheint also nach dieser Szene das Trauma akzeptiert, aber noch nicht überwunden zu haben, auch wenn dieser Schritt ein Erster zur Heilung scheint. Die wiedererlangte symbolische Ordnung zeigt der Film danach durch die mögliche Heimkehr in sein Haus, die wiedererlangte Sexualität durch den Sex mit Linda und die Fahrt zu Steven in das Veteranenkrankenhaus. Der letzte Schritt soll die Rückholung von Nick aus Saigon sein.

Phlegeton

Dort trifft Michael schließlich auf den letzten Fluss, als er mit dem französischen Spieler Julien auf der Suche nach Nick ist und über die Kanäle Saigons fährt, während im Hintergrund Explosionen und brennende Schiffe zu sehen sind. Dort wiederholt sich neuerlich eine Szene vom Fluss des Leidens, wenn die Kamera aus Michaels Perspektive in den ersten Stock der Hütte schaut, während er wieder darauf warten muss, zum Spiel geholt zu werden.unterHunter

4.3       One Shot!

One Shot

Wie schon mehrfach erwähnt, ist Michael zu Beginn des Films von der Philosophie des One Shot! besessen. „Michael´s dedication to the principle of ´one shot´ exemplifies the standard for victory with honor within the hunt” schreiben dazu Rasmussen und Downey, aber weiter “Honor, however, is irrelevant when he, Nick, and Steven are imprisoned and tortured.”[38]

Nick hingegen nennt Michael schon in ihrem gemeinsamen Haus (das eher einer Hütte gleicht) einen „Control Freak“, und mahnt ihn zum Nachdenken über das Tier und zum Genießen und nicht Beherrschen der Natur. Michaels Ansichten werden uns nach dem Gespräch mit Nick noch in der Diskussion um die Jagdstiefel mit Stanley überdeutlich vorgeführt, davor visualisiert der Regisseur die Fähigkeiten Michaels und die Unfähigkeit seiner Freunde mit dem Tritt auf das Heck seines Autos, dessen Kofferraum sich mit einem bestimmten Schlag (One Shot!) öffnen lässt.

Three Shots

Der Schnitt von der Bar in ihrer Heimatstadt mitten in ein Massaker an der Dorfbevölkerung ist hart und repräsentiert die Unmöglichkeit, sich auf die bevorstehenden Gräuel, auf ein Trauma vorzubereiten. Michael wird zu Beginn dieser Szene mehrfach am Boden liegend, mit der Kamera aus der Froschperspektive gezeigt. Insgesamt kann durch diese Eingangsszene bereits der komplette Katalog der Einstufungsmöglichkeiten, die PTSD auslösen können, als erfüllt gesehen werden. Michael ist offenbar selbst Opfer eines Angriffes geworden. Die Szene zeigt den Zuschauern sowie Nick und Steven, die das ganze aus dem Hubschrauber beobachten können (Steven: Unbelievable!), dass die Soldaten auch Zeugen von Gräueltaten wurden, und Michael wird andererseits zum Täter einer solchen, als er den feindlichen Soldaten mit dem Flammenwerfer tötet. Weiter konnten sie den Opfern des vietnamesischen Soldaten nicht helfen.

Die Inszenierung von Nick und Steven lässt weiterhin vermuten, dass die beiden erst frisch in die kämpfende Truppe kamen, während Michael schon länger in dieser aktiv ist. Seine schon existierende Traumatisierung lässt sich an einem starren Blick in das Gesicht seiner Freunde feststellen, die er nicht erkennt. Wie bei Steven später, lässt sich diese Reaktion als „akute Belastungsreaktion“ diagnostizieren.[39]

In der nächsten Szene der Gefangenschaft zeigen sich umgekehrte Anzeichen, während Michael von einem Überlebenswillen gekennzeichnet ist und Steven unterstützt und ihn beruhigen zu versucht (auch wenn er schon geplant hat, ihn im Falle einer Flucht zurück zu lassen), zeigen sich Nick und Steven schon deutlich paralysiert.

Steven wendet sich im Wissen des Kommenden bereits mit einem angespannten, teilweise verzerrten Gesicht und schneller Atmung von den restlichen Personen in Gefangenschaft ab und schaut auf den Käfig im Fluss. Dazwischen schüttelt er sich immer wieder heftig oder bekommt Krämpfe und schreit nach jedem Schuss, der in der Hütte oben abgegeben wird auf. Dem Regisseur genügt es nicht, diese Reaktion Stevens einmal zu zeigen, sondern sie wird drei Mal gezeigt. Er zeigt damit also schon akute, körperliche Anzeichen einer Traumatisierung, die schließlich noch durch die aktive Teilnahme am Russischen Roulette verstärkt wird.

Stevens Reaktionen sind dabei eindeutig als „akute Belastungsreaktion“ feststellbar, die „eine vorübergehende Störung von beträchtlichen Schweregrad […]als Reaktion auf eine außergewöhnliche körperliche oder seelische Belastung entwickelt.“[40] Die Symptome werden dabei beschrieben als „eine Art «Betäubung», einer gewissen Bewusstseinseinengung und eingeschränkte[r] Aufmerksamkeit[…]. Dabei treten auch „panische Angst, Tachykardie, Schwitzen oder Erröten“ auf. Das besondere daran ist jedoch, dass die „Symptome innerhalb von Minuten auftreten“ und nach „zwei bis drei Tagen verschwinden“, wobei eine „teilweise oder vollständige Amnesie“ vorliegen kann.

Nick wird als still, aber unablässig um sich schauend inszeniert. Sein unruhiger Blick als Folge einer Traumatisierung wird durch die frontale Kamera auf sein Gesicht und den subjektiven Blick von hinten auf Steven und Michael, die im Gegenlicht nur mehr als Schatten erkennbar sind, szenisch etabliert. Damit wird bereits vorweggenommen, dass seine ehemaligen Freunde nur mehr Schatten aus der Vergangenheit sind, und zunehmend verschwinden.

Michaels Blick fällt hingegen aus dem Käfig unter der Hütte ständig in das Geschehen nach oben in die Hütte, und wird ebenfalls in Gegenschüssen etabliert. Er ist somit der Einzige der Gefangenen, der aktiv auf das Spiel blickt, sich nicht davor verschließt, und damit noch als Subjekt etabliert wird.

Steven schießt schließlich beim „Duell“ gegen Michael daneben und die Kamera zeigt sein Gesicht zwischen Lachen und Weinen, einen undefinierten Gefühlszustand, der durch das nur zu hörende Lachen der Vietkong – Soldaten verstärkt wird.

Beim Duell zwischen Michael und Nick gibt Michael schließlich sein Prinzip des One Shot! auf, um die vietnamesischen Soldaten zu töten.

Die Dreiteilung der 14 – minütigen Rouletteszene zeigt dabei nach Morag neben der Traumatisierung auch die Erniedrigung der Männer.[41] Weiter wird das Subjekt (die Hauptfiguren) entsubjektiviert und in ein Objekt (oder zum Tod) transferiert und gleichzeitig jedoch das Überleben gezeigt. Dieser Status zwischen Subjekt und Objekt (Zwischen Leben und Tod, oder Realität und Fantasie) ist dabei das Trauma, das eine bestimmte (maskuline, soziale) Identität verhindert und stellt auch insgesamt eine Unterscheidung dieser Kategorien in Frage.[42]

Two Shots is Pussy

Diese Überlegungen gemeinsam mit der Traumatisierung der Hauptfiguren führen zu einer immer sich wiederholenden Struktur für Nick und Michael, der ebenfalls immer wieder zum Schauplatz des Spiels zurückgeholt wird. Insgesamt, so Morag, wiederholt sich die Originalszene des Russischen Roulettes dreizehn Mal.[43]

Bei Michael wird unmittelbar nach seiner vorgeblich befreienden Szene aus der Verdrängung ein Trigger in Form von Stanleys Schreien (ähnlich dem Schreien des Vietkongs) und der Drohung mit der Pistole auf Axel, die zu zweit auf einen Tisch mit Alkohol und Zigaretten in einer Hütte sitzen, ausgelöst. Dieser Trigger führt Michael das Trauma wieder in Erinnerung und zur Ausführung des traumatisierenden Geschehens[44], indem er das Roulettespiel an Stanley ausübt und ihn frägt „How do you feel now?“ (und damit auch wohl seinen Gefühlszustand preisgibt). Weiter dienen ebenso die die Bowlingszene sowie die Bingoszene als Wiederholung des Roulettespiels. In allen Fällen wandelt Michael also in einem nicht vollständig wieder erlangten Bewusstsein durch sein Leben nach dem Trauma und wird also nie vollständig in seine Heimatstadt, in die Normalität entlassen.

„Lack of awareness is inherent in the psychiatric diagnosis of post-traumatic stress disorder. Although PTSD does not involve denial, as in Steven´s case, it also not necessarily involve awareness, as in Michael´s case. The only awareness he gains is knowledge of the rules of the games. Consequently, Michael remains at the margins of the symbolic order (of Clairton) and does not undergo post-captivity resubjektivization.”[45]

Auch Nick durchlebt einerseits die Unmöglichkeit, in die Vergangenheit vor dem Trauma zurückzukehren, andererseits das zwanghafte Wiederholen des traumatischen Ereignisses. Zuerst erfolgt bei Nick der Abschluss mit der Vergangenheit, dargestellt durch die posttraumatisch bedingte Abwesenheit bei der Frage nach seinem persönlichen Daten, sowie der seiner Eltern. Die Person Nick aus Clairton gibt es nicht mehr, eine Dissoziation der Persönlichkeit ist eingetreten. Das abgebrochene Telefonat, bei dem er Linda anrufen wollte und die anschließende Szene in der Bar, wo er mit der Prostituierten, die er Linda nennt, keinen Sex hat, kennzeichnen den Abschluss der Beziehung mit dieser. Auch hier sorgt ein akustischer Trigger dafür, dass er erstmals wieder zum Spiel zurückkehrt, als er einen Schuss in einem Hinterhof hört. Die Ablehnung des Champagners vom Franzosen Julien, der zu Nick sagt „When a man says no to Champagne, you say no to life“ signalisiert auch hier den Zwischenstatus seiner Person zwischen Leben und Tod.

Mit dem ersten Wiedersehen und gleichzeitigen Eingriff in das Russische Roulette beginnen die zwanghaften Wiederholungen des Spiels und damit eine Inkorporation des Geschehens bei Nick. Der traumatische Verlust des Objekts, der zu diesem Inkorporationsprozess führt, kann dabei der Verlust der Freundschaft zu Michael und Steven, des Anführers der Vietkongs, dem sie unterworfen waren, als auch der Männlichkeit durch die Erniedrigung sein. Die Erhaltung des Verlorenen passiert dabei über die immer wiederkehrende Szene des Roulette – Spiels. Vom Einschluss dieser unausgesprochenen Gefühle, Taten, Erinnerungen und Worte dringt der Drang nach dem Spiel immer wieder nach außen.[46]

Auch die letzte Roulette – Szene zeigt Wiederholungen der ersten, Nick wird dabei als mittlerweile andere Person – in der Kleidung der vietnamesischen Spieler von der Spielszene des 2. Teils – dargestellt. Auch erkennt er Michael nicht mehr, als dieser ihn nach seinem Nachnamen frägt und spuckt ihm scheinbar vollkommen unmotiviert an. Dies kann als eine scheinbar unerklärbare Handlung aus dem inkorporierten Trauma verstanden werden, und referenziert auf das Anspucken des Vietkong – Hauptmanns in der ursprünglichen Roulette – Szene. Wenn sich beide schließlich gegenübersitzen ist es wieder Michael der auf Nick einredet und ihn zum Handeln (zur Flucht) drängt. Kurz zeigt die Kamera in einem Close-Up Shot eine Regung in Nicks Gesicht, als scheint er sich an Michael und das Spiel erinnern zu können und etwas sagen zu wollen. Doch die Last der traumatischen Vergangenheit ist zu groß. Nach der Erinnerung an seine Aussagen über die Schönheit der Bäume in den Bergen kann er dies nur an das von Michael gepredigte Credo des „One Shot!“ verknüpfen und drückt ab.

„[…]but the traumatic experience of captivity has turned his innocence into the opposite extreme of an obsession with a ´one shot´ submission to passivity. The same experience has led Michael to abandon his ´one shot´ obsession with control, instead accepting a balance, or ´middle ground´ between the conscious and unconscious.”[47]

Das austretende Blut fließt auch über Michaels Hand, der den endgültig zum Objekt gewordenen leblosen Körper Nicks hält. Dies macht Michael die Folgen seiner Einstellung, von der er sich abgewandt hat, der er aber nicht entkommen kann, klar: „When he holds Nick´s blood soaked head Michael faces, and thus can fully recognize, the result of his prior obsession.”[48]

4.4       God bless America

In den Filmen zum Vietnamkrieg wird nicht nur ein persönliches Trauma der Soldaten gezeigt, sondern auch immer der Umgang der Gesellschaft und der daheimgebliebenen Familienangehörigen abgebildet. In vielen Fällen, so zeigt auch die NVVRS, kommt es zu schweren Problemen bei Frauen und Freundinnen von Vietnamveteranen mit PTSD.

            „There is more violence in the families of veterans with PTSD[…]The majority of S/P (Anm. Spouse & Partner) report high levels of nonspecific distress, and about half report having felt on the verge of a nervous breakdown.”[49]

Dieses Phänomen wird anhand von Angela, Stevens Frau dargestellt, als Michael sie nach dessen Verbleiben fragt. Das Kind scheint unbeaufsichtigt, oder nur von der Großmutter gepflegt, während Angela mit leerem Blick, abwesend, sich an einer Tablettenpackung festhaltend, im Bett liegt. Das Sprechen verunmöglicht, muss sie Nick die Nummer des Veteranenspitals aufschreiben. Die Traumatisierung findet also nicht nur durch erlebte Geschehnisse statt, sondern wird auf die Angehörigen übertragen. Das ganze Ausmaß Angelas Traumatisierung, die auch noch beim abschließenden Begräbnis abwesend erscheint, wird erst klar, wenn man weiß, dass sie zwei Männer verloren hat – Steven im Veteranenspital und Nick, den Vater ihres Kindes, in Saigon[50].

Den Umgang mit körperlich behinderten Veteranen zeigt der Film anhand von Steven, der gemeinsam mit anderen beinamputierten oder querschnittgelähmten ehemaligen Soldaten in einem Veteranenspital abgetrennt vom Rest der „normalen“ Gesellschaft lebt. Als ihn Michael nach Hause holen will, wehrt er sich anfangs mehrfach mit den Worten „I don´t fit!“, also einem gesellschaftlich geprägten Glauben, minderwertig und nicht zur Gesellschaft gehörend zu sein. Dies führt die weiter oben erwähnte Hierarchie der Verletzungen ad absurdum und zeigt damit auch die Gleichwertigkeit der physischen und psychischen Erkrankungen. Generell zeigt der Film also den Widerstand gegen die Erwartungen einer hegemonialen Männlichkeit:

„[…], Vietnam War film representations of men with disabilities reflect the difficulty of a disabled veteran´s resisting the expectations of hegemonic masculinity because it was the Vietnam War in which he served.”[51]

Das abschließende gemeinsame Singen der Hinterbliebenen von God bless America soll nochmal verdeutlichen, wie die Gemeinschaft versucht, trotz der erlebten Rückschläge weiter zu (über)leben. In Trauer vereint, aber das Land, für das sie kämpften oder in dem sie leben, weiterhin verehrend, zeichnet es den Beginn einer Restrukturierung ihres weiteren Lebens.

„[…]the song is literally an invocation for a blessing on a country and its emotionally exhausted members. […] United in grief, the peoples of Clairton find solace in music and community, another ceremony which begins to reorder their broken lives.”[52]

5.  Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit zeigte die Verknüpfung von Traumtheorie und Film im Falle des Vietnamkrieges. Dabei wurde nachgestellt, wie verschiedene Charaktere und Gesellschaftsgruppen – Soldaten, Daheimgebliebene und Veteranen mit Situationen umgehen, die einen traumatischen Einschnitt in ihr bisheriges Leben darstellen. Besonders wurde dabei auf die im vorliegenden Fall nur partielle Genesung der handelnden, traumatisierten Personen eingegangen. Während Nick in Folge der Unmöglichkeit, das Trauma aufzuarbeiten, Selbstmord begeht, konnte Michael sich zwar teilweise wieder in die alte Gesellschafts-ordnung einbringen, der Film und die Untersuchungen verdeutlichen jedoch, dass er sich weiterhin in einem Zwischenzustand befand, in dem seine Aufmerksamkeit durch Trigger immer wieder zum traumatisierten Ereignis zurückgeholt wurde. Anhand von Steven wurden die Traumatisierung von körperlich verwundeten Personen und der Umgang der Gesellschaft mit diesen gezeigt. Steven selbst zeigte keine zwanghaften Wiederholungsstrukturen, auch wenn er durch das Bingospiel im Veteranenspital an die Willkürlichkeit der Kugel des Russischen Roulettes gebunden war. Schließlich wurden die Auswirkungen des Krieges auf die Gesellschaft gezeigt. Die vom Regisseur eingesetzte Struktur der Wiederholungen und der Kreisläufe zur Visualisierung des immer wiederkehrenden traumatischen Ereignisses konnte im Zusammenhang mit der Traumaverarbeitung abgebildet werden.


[1] Die durch die Hölle gehen, www. imdb.com, online unter <http://www.imdb.com/title/tt0077416/?ref_=sr_1&gt; (Zugriff: 01.07.2013)

[2] Biografie Frankie Valli, online unter: <http://www.frankievallifourseasons.com/bio.html&gt; (Zugriff: 01.07.2013)

[3] Raya Morag, Defeated Masculinity. Post-Traumatic Cinema in the Aftermath of War (Rethinking Cinema no. 4, Brüssel, 2009) 155

[4] Slotkin sieht dabei den amerikanischen Vietnamkriegsfilm als direkten Nachfolger des Frontier Myth. Richard Slotkin, Regeneration through Violence: The Myth of the American Frontier 1600 – 1860 (Middletown, 1973), hier: Morag, Defeated Masculinity, 156f.

[5] „You have to think about One Shot, that´s what it´s all about […] A deer has to be taken by One Shot [..] Two is pussy.”

[6] Brenda M. Boyle, Phantom Pains. Disability, masculinity and the normal in Vietnam war representations, in: Prose Studies Vol. 27 (No. 1-2, April-August 2005) 93 – 107, hier: 94

[7] Rolf Steininger, Der Vietnamkrieg. In: Dossier USA, Bundeszentrale für politische Bildung, 10.10.2008, online unter <http://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/10620/vietnamkrieg?p=all&gt; (Zugriff 01.07.2013)

[8] Richard A. Kulka, William E. Schlenger, John A. Fairbank, Richard L. Hough, B. Kathleen Jordan, Charles R. Marmar, Daniel S. Weiss, Contractual Report of Findings from the National Vietnam Veterans Readjustment Study. Volume I: Executive Summary, Description of Findings, and Technical Appendices. In: United States Department of Veterans Affairs, 07.11.1988, online unter: <http://www.ptsd.va.gov/professional/articles/article-pdf/nvvrs_vol1.pdf&gt; (Zugriff 01.07.2013)  30

[9]  Eric T. Dean, Jr, Shook over Hell. Post-Traumatic Stress, Vietnam, and the Civil War (Cambridge/  London 1997) 15

[10] Ebda. 27

[11] Ebda. 26

[12] What is PTSD? In: United States Department of Veterans Affairs, Public Section, 01.01.2007, online unter: <http://www.ptsd.va.gov/public/pages/what-is-ptsd.asp&gt; (Zugriff: 01.07.2013)

[13] Stephanos Geroulanos, René Bridler, Trauma. Wundenentstehung und Wundpflege im antiken Griechenland (Mainz 1994) hier: Julia Barbara Köhne(Hg.), Trauma und Film. Inszenierungen eines Nicht – Repräsentierbaren (Berlin  2012) 8

[14] Jean Laplanche, Jean-Betrand Portalis,  Das Vokabular der Psychoanalyse (Frankfurt, 151999) 513

[15] Ebda. 514

[16] Ursula Gast, Das zersplitterte Selbst – Dissoziation zwischen Störung und Heilung (Vortragsmanuskript Bielefeld 2005) 5

[17] F43.1 posttraumatische Belastungsstörung. Weitere Zitate in: Horst Dilling, W. Mombour, Martin Schmidt (Hg.), Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien (8. überarb. Auflage Bern 2011) 207f

[18] Ebda. 208

[19] What is PTDS? In: United States Department of Veterans Affairs, Public Section, 01.01.2007, online unter: <http://www.ptsd.va.gov/public/pages/what-is-ptsd.asp&gt; (Zugriff: 01.07.2013)

[20] Alan Fontana, Robert Rosenheck, Traumatic War Stressors and Psychiatric Symptoms Among World War II, Korean, and Vietnam War Veterans. In: Psychology and Aging Vol. 9 (No.1 1994) 27 – 33. Hier: 28

[21] Dean Jr, Shook over hell. 10

[22] Ebda, 19f

[23] Ebda, 40

[24] Taxi Driver (R: Martin Scorsese, USA 1976), Coming Home( R: Hal Ashby, USA 1978), Apocalypse Now(R: Francis Ford Coppola, USA 1979), <www. Imdb.com>  (Zugriff: 01.07.2013)

[25] Boyle, Phantom Pains, 96

[26] Ebda, 98

[27] Ebda, 99

[28] Köhne, Trauma und Film, 9

[29] Morag, Defeated Masculinity, 24

[30] Köhne, Trauma und Film, 9

[31] Hinweise zu den beiden Szenen: Robert T. Eberwein, Ceremonies of Survival: The Structure of The Deer Hunter. In: Journal of Popular Film & Television Vol. 7 (No.4 1980) 352 – 364. Hier: 353

[32] Griechische Mythologie: Die Unterwelt. In: http://www.wissen.de, online unter <http://www.wissen.de/thema/griechische-mythologie-die-unterwelt&gt; (Zugriff: 02.07.2013)

[33] Morag, Defeated Masculinity, 156

[34] Ebda, 162

[35] Angst, Depressionen, Schlaglosigkeit, Vigilanzsteigerung. In: DIlling, Mombour, Schmidt, Internationale Klassifkation psychischer Störungen, 207

[36] John Hellmann, Vietnam and the Hollywood Genre Film: Inversions of American Mythology in The Deer Hunter  and Apocalypse Now. In: American Quarterly, Vol 34 (No.4, Autumn 1982) 418-439. Hier: 427

[37] Morag, Defeated Masculinity, 182f

[38] Karen Rasmussen, Sharon D. Downey, Dialectical Disorientation in Vietnam War Films: Subversion of the Mythology of War. In: Quarterly Journal of Speech Vol. 77 (May 1981) 176 – 195. Hier: 181

[39] F43.0 akute Belastungsreaktion. Alle folgenden Zitate In: DIlling, Mombour, Schmidt, Internationale Klassifkation psychischer Störungen, 205f

[40] Alle folgenden Zitate In: DIlling, Mombour, Schmidt, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 205f

[41] Morag, Defeated Masculinity. 177

[42] Ebda. 176f

[43] Ebda. 182

[44] Michaela Huber, Trauma und die Folgen. Trauma und Traumabehandlung. Teil 1 (Paderborn 2003) 193ff

[45] Morag, Defeated Masculinity. 183

[46] Zu den Begriffen der Inkorporation: Nicolas Abraham, Maria Torok, Trauer oder Melancholie. Introjizieren – inkorporieren. In: Psyche. Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendung, Jg. 55 (Nr. 6 Juni 2001) 545 – 559

[47] Hellmann, Vietnam and the Hollywood Genre Film. 427f.

[48] Ebda. 428

[49] Richard A. Kulka, B. Kathleen Jordan, Charles R. Marmar, Richard L. Hough, Daniel S. Weiss, John A. Fairbank, William E. Schlenger, Problems in Families of Male Vietnam Veterand with Posttraumatic Stress Disorder. In: Journal of Consulting and Clinical Psychology Vol. 60 (No. 6 1992) 916 – 926. Hier: 923

[50] Das Gespräch bei der Hochzeit und die blonden Haare des Kindes legen dies nahe. Zusätzlich bestätigt es der Regisseur in einem späteren Interview. In: The Deer Hunter, Trivia. Imdb.com. online unter: <http://www.imdb.com/title/tt0077416/trivia?ref_=tt_trv_trv&gt; (Zugriff: 03.07.2013)

[51] Boyle, Phantom Pains. 102

[52] Eberwein, Ceremonies of Survival. 364

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This is the girl! (Geschlechterverhältnis und Mise en Scéne des Film Noir in Mulholland Drive)

Einleitung

Die vorliegende Arbeit soll die Möglichkeit einer Interpretation von David Lynchs Film Mulholland Dr. (USA, 2001) nach Kriterien des amerikanischen Film noir aufzeigen. Dabei möchte ich zunächst die Produktionsbedingungen des Filmes und die Handlung erörtern. Der Film hinterlässt beim ersten Screening oft einen verblüfften Zuseher, der 2 Filmteile vorfindet, die die gleichen Schauspieler in verschiedenen Rollen zeigen.

Mulholland Dr. wird oft als Neo noir bezeichnet. In einem Punkt meiner Arbeit möchte ich einerseits die Merkmale und Unterscheidungen zwischen den Begriffen Film noir und Neo noir aufzeigen, und dabei gleichzeitig die Grundlage für eine tiefergehende Analyse des Films schaffen, die im nächsten Punkt erfolgt.

Dabei werde ich den Film auf seine stilistischen und narrativen Elemente hin analysieren und einen Bezug zu Filmen, die in der klassischen Ära des Film noir von 1941 bis 1958 gedreht wurden, herstellen. Wenn die narrativen Elemente in den Text einfließen, habe ich die stilistischen Elemente dabei in die sog. Mise-en-Scène und in Kamera, Licht & Schnitt unterteilt. Für die in der Arbeit verwendeten filmtechnischen Begriffe befindet sich am Ende ein Glossar mit kurzen Begriffsdefinitionen.

Ein zentraler Punkt der Noir – Filme ist das dort abgebildete Geschlechterverhältnis, dass durch die zunehmende Popularität der Psychoanalyse und der gesellschaftlich – sozialen Bedingungen während und vor allem nach Ende des Zweiten Weltkrieges geprägt wurde. Am Schluss meiner Arbeit möchte ich das Geschlechterverhältnis des Film noir nutzen, um Mulholland Dr. einer Neu – Interpretation zu unterziehen. Dabei geht meine These davon aus, dass der Erzähler der Handlung die Figur des Adam Kesher ist, der Regisseur David Lynch aber die dominante männliche Sichtweise zugunsten eines weiblichen Diskurses ersetzt hat.

1    Mulholland Drive

1.1       Produktion

Der Film, im Original Mulholland Dr., wurde unter der Regie von David Lynch, der auch das Drehbuch schrieb, von Studio Canal+ produziert. Die Premiere des Filmes fand im Rahmen der Filmfestspiele von Cannes am 16.Mai 2001 statt, der reguläre Start in den US – amerikanischen Kinos folgte im Oktober 2001.[1] Eigentlich wurde Mulholland Dr. als Pilotfilm für eine Serie gedreht, nachdem der Fernsehsender ABC den Pilot und das Serienkonzept abgelehnt hatten, wurde daraus der Film in der vorliegenden Form.[2] Vor diesem Hintergrund lassen sich auch einige scheinbar willkürliche Handlungsstränge in der Narration erklären, da der Pilot als eineinhalbstündiger Film mit offenem Ende gedreht wurde, der sich auch in einigen Szenen vom fertigen Spielfilm unterscheidet.[3]

1.2       Plotbeschreibung

Mulholland Dr. kann grob in 2 Teile unterteilt werden. Dabei handelt es sich beim längeren ersten Teil um eine Traumpassage oder Fantasie, dessen Auflösung der zweite Teil bietet.[4] Für die weiteren Untersuchungen insbesondere der Geschlechterverhältnisse ist es jedoch wichtig, die beiden Teile als Gesamtkonzept zu betrachten.

1.2.1     Part 1

Der Film beginnt mit einer Tanzszene, in denen verschiedene Paare einen sogenannten Jitterbug tanzen. Die Szene wird überblendet mit einer blonden, stark überbeleuchteten Frau und einem älteren Ehepaar an ihrer Seite. Darauf folgt ein Close-up einer Bettdecke und ein Übergang in die Titelsequenz mit dem Straßenschild Mulholland Dr.. In der darauffolgenden Szene sehen wir eine Limousine mit einer unbekannten, schwarzhaarigen Frau (gespielt von Laura Elena Harring), die vom Fahrer mit einer vorgehaltenen Pistole zum Aussteigen gezwungen wird. Zu diesem Zeitpunkt wird die Limousine in einen Autounfall verwickelt. Die Frau überlebt den Unfall und steigt über einen Pfad desorientiert und verängstigt nach Hollywood herab. Zur Orientierung der Zuschauer werden die typischen Palmen und das Straßenschild des Sunset Boulevards gezeigt. Im Gebüsch vor einem Apartment schläft die Frau ein.

Die nächste Szene zeigt Betty Elms (Naomi Watts) aus Deep River, Ontario, Kanada gemeinsam mit einem älteren Ehepaar bei ihrer Ankunft am Flughafen von Los Angeles. Sie fährt mit dem Taxi in das Apartment ihrer Tante Ruth Elms, die für einen Filmdreh in Kanada verreist ist, und Betty ihr Apartment überlassen hat. Dort trifft sie im Badezimmer auf die unter der Dusche stehende unbekannte Frau des Autounfalls. Diese stellt sich als „Rita“ vor, nachdem sie ein Plakat des Filmes Gilda mit dem Namen der Hauptdarstellerin sieht. Nachdem sie Betty von ihrer lückenhaften Erinnerung an einen Unfall erzählt, beschließt Betty Rita beim Aufspüren ihrer wahren Identität zu helfen.

In einem anderen Handlungsstrang ist der Hollywood – Regisseur Adam Kesher (Justin Theroux) auf der Suche nach der weiblichen Hauptrolle seines nächsten Filmes – der „Silvia North Story“. Bei einem Treffen im Büro der Filmfproduktionsfirma wird ihm gegen seinen Willen die Besetzung der Hauptrolle mit den Worten „This is the girl“ und einem Foto einer blonden Frau mit dem Namen Camilla Rhodes diktiert. Nachdem er wutentbrannt das Konferenzzimmer verlässt und das Auto der beiden Hintermänner zerstört, beginnt sich sein gewohntes Leben immer mehr aufzulösen. Er erwischt seine Frau mit dem Poolreiniger im Bett, muss in ein schäbiges Hotel ziehen, seine Konten werden gesperrt. Schließlich stimmt er einem Treffen mit dem „Cowboy“ zu, welcher Adam überzeugt, den Druck der Produzenten nachzugeben.

Betty Elms hat einen Castingtermin für einen Film durch ihre Tante Ruth bekommen. Bevor sie gemeinsam mit Rita deren Identität aufklären möchte, nimmt sie diesen Termin wahr, und überzeugt dabei den Produzenten, die Castingagentin und den männlichen Hauptdarsteller durch ihr intensives Schauspiel. Während die Agentin Lynne über den Produzenten ablästert, will sie Betty einen wirklichen Starregisseur vorstellen – und bringt sie auf das Casting – Set der „Silvia North Story“ von Adam Kesher. Nach intensivem Blickkontakt zwischen Betty und Adam flüchtet diese panikartig vom Set, während Adam Camilla Rhodes mit den Worten „This ist he girl“ zur Hauptdarstellerin bestimmt.

Gemeinsam mit Rita fährt Betty zum Apartment von Diane Selwyn, da sie annehmen, dass diese etwas mit Rita zu tun hat. Dort treffen sie auf eine im Bett liegende, verwesende Leiche, worauf beide aus der Wohnung rennen. Am Abend entwickelt sich eine sexuelle Beziehung zwischen den beiden Frauen. Mitten in der Nacht erwacht Betty durch die von Rita wiederholt gesprochenen Worte „No hay banda“ und „Silencio“. Rita will mit Betty in den „Club Silencio“, welcher voll mit Illusionen von Musik und Schauspiel ist. Am Ende des von Rebekha del Rio [sic!] in Spanisch vorgetragenen Songs „Crying“ von Roy Orbison findet Betty eine blaue Box in ihrer Handtasche. Wieder heimgekommen, wollen sie die Box mit dem von Rita gefundenen Schlüssel öffnen. Dabei verschwindet zunächst Betty, dann auch Rita spurlos.

In einer Überleitung von Teil 1 zu Teil 2 steht der Cowboy im Apartment von Diane Selwyn und sagt zu einer schlafenden Person „It´s time to wake up, little girl“.

1.2.2     Part 2

Diane (Naomi Watts) erwacht in ihrem Bett durch heftiges Klopfen an der Eingangstür. Sie öffnet und trifft auf die vorherige Besitzerin des Apartments. In der Folge sieht man in Rückblenden und Tagträumen Dianes Beziehung zur erfolgreichen Filmschauspielerin Camilla Rhodes (Laura Elena Harring). Während eines Verführungsversuchs Camillas durch Diane sagt diese; „We shouldn´t do this anymore“, was auf ein vorangegangenes sexuelle Verhältnis schließen lässt. Camilla ist währenddessen mit dem Regisseur Adam Kesher in einer heterosexuellen Beziehung. Nachdem Diane an einer zur Verlobungsparty mutierten Einladung der beiden in Adams Haus am Mulholland Drive teilgenommen hat, beschließt diese, Camilla durch den Auftragskiller Joe Messing ermorden zu lassen. Das Signal für den erledigten Mord soll durch einen blauen Schlüssel auf Dianes Couchtisch gegeben werden.   Von Schuldgefühlen getrieben, begeht Diane, in ihrer Vorstellung vom älteren Ehepaar aus der Eingangsszene des Films in die Enge getrieben, Selbstmord.

2    Film noir und/oder Neo noir?

In vielen, auch wissenschaftlichen, Artikeln und Aufsätzen zum Film wird Mulholland Dr. als Neo noir bezeichnet.[5] Um die Frage zu beantworten, ob der Film tatsächlich als Neo – noir eingestuft werden kann, möchte ich zunächst die Merkmale und Unterschiede zwischen den originären Film noir und seiner Ausprägung der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts als Neo noir zusammenfassen. Dies bildet auch die Grundlage für meine Analyse von Lynchs Film in Bezug auf die von ihm verwendeten Referenzen zu Filmen aus der klassischen Film noir – Ära und das in diesen Filmen repräsentierte Geschlechterverhältnis, dass sich auch in Mulholland Dr. zeigt.

2.1       Film noir

2.1.1     Geschichte

Der Begriff “Film noir” stammt von 2 französischen Filmkritikern, die 1946 versuchten, eine Serie von US – amerikanischen Filmen, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Frankreich zu sehen waren, zu beschreiben.[6] Die unter dem Begriff zusammengefassten etwa 200 Filme wurden von 1941 – 1958 produziert. Die Filme hinterließen bereits 1945 einen bleibenden Eindruck beim französischen Publikum, da sie sich stark von den Hollywoodproduktionen der Vorkriegszeit unterschieden;

„French audiences were overwhelmed by a flood of American films and critics were startled by the changes had taken place in American film production during the war. The prewar, classical Hollywood […] had given way to a subversive strain of behavioral deviance in American films, which were now dominated by crime, corruption, cruelty, and an apparently unhealthy interest in erotic. American film had suddenly – from French perspective, at least – turned grimmer, bleaker and blacker.”[7]

Die Ausführung dieser Gemeinsamkeiten wurde durch vergleichbare visuelle Elemente, ähnliche Charaktere innerhalb des Films, narrative Eigenschaften und wiederkehrende Themen geschaffen.[8] Wichtig für meine Untersuchungen ist dabei, dass der jeweilige Film nicht notwendigerweise von Anfang bis zum Schluss „noir“ sein muss, sondern dass es nur eine Szene, einen Charakter oder eine bestimmte Situation innerhalb des Filmes geben muss, die dem Publikum einen überraschenden, möglicherweise unangenehmen Wendepunkt präsentiert. Dieser Wendepunkt oder Twist, wie Belton schreibt, kann in verschiedenen Genres stattfinden; „In other words, noir […] is not so much a genre as a mode – a particular way in which genre information is conveyed.”[9]

Einen wesentlichen Einfluss auf Handlung und Darstellung im Film noir nahm der sogenannte Production Code oder Hays Code, der bestimmte Elemente im Film, wie freizügige Sexualität, „Perversion“, Selbstmord, Verherrlichung von Gewalt und anderes zensurierte.[10] Dies zwang die Regisseure ihrerseits, bestimmte Mittel zu finden, um die oben angeführten Themen zu visualisieren.

2.1.2     Technische Ausführung

Die ästhetischen Merkmale der Filme sind Effekte, die mit der Weiterentwicklung der Kameratechnik möglich wurden. Dabei wurde die Schärfentiefe (engl. deep focus, nicht zu Verwechseln mit Tiefenschärfe, Anm. d. Verf.) zur Herstellung von Bezügen zwischen Personen und seiner Umgebung verwendet. Weitwinkelobjektive und extreme Nahaufnahmen (engl. Extreme Close Ups) von Körpern und Gesichtern dienten zur Visualisierung des Gemütszustandes der ProtagonistInnen. Verstärkt wurde die klaustrophobische Stimmung durch eine Low Key – Beleuchtung  und den Einsatz von verschiedenen zusätzlichen Lichtquellen, die zu einem scharfen Schwarz – Weiß Kontrast beitrugen und bedrohliche Schatten produzierten. Die Kameras wurden ebenfalls unkonventionell eingesetzt – schräge Perspektiven, die den Gemütszustand der Charaktere widerspiegeln, oder niedrige Kamerastandpunkte (engl. Low Angle), die den Figuren Verlorenheit oder auch dämonische Züge verliehen.[11] Verstärkt wurde die Visualisierung durch komplexe Handlungsstrukturen mit Rückblenden und Träumen oder zeitlichen Verschiebungen von Szenen.[12]

2.1.3     Narrative Elemente und Charaktere

Obwohl die Geschichten der klassischen Film noir Periode vielfältig sind, waren die zu Grunde liegenden Themen eng begrenzt. Die ProtagonistInnen waren gekennzeichnet durch Existenzängste, Entfremdung, Einsamkeit und Isolation in der industriellen Massengesellschaft, der Bedeutungslosigkeit des Lebens und der Willkür sozialer Ungerechtigkeit. Diese Themen reflektierten die nach 1945 herrschende Verunsicherung des Mannes, sowie das Bemühen oder den Zwang zur Eigenständigkeit der Frauen, als Folge des Zweiten Weltkrieges. Diese Eigenständigkeit wurde als Bedrohung der traditionellen Werte gesehen, in deren Zentrum die Familie stand.

„Film noir dramatizes the consequences of this neglect, transforming women into willful creatures intent on destroying both their mates and the sacred institution of the family.”[13]

Die zentralen Charaktere des Film noir sind nach Kaufmann[14] und anderen die Femme Fatale und der Tough Guy, die in verschiedenen Varianten zwei wesentliche Erkennungsmerkmale sind. Dabei dominiert nach Kaufmann „in der Regel der Mann den Diskurs […] und die Frau geradezu als Wunsch- und Angstprojektion und damit als Symptom seiner problematisierten männlichen Identität fungiert.“[15] Die Femme Fatale wird dabei als Fetisch dargestellt, der mittels glamourösen Kostümen, starken Close Ups, langen Beinen und Haaren sowie geschminkten Lippen hergestellt bzw. verstärkt wird. Die technische Umsetzung erfolgt dabei durch ihre Bilddominanz, Kamerawinkel und -bewegung, sowie Belichtung. Sie steht dabei im Focus des Bildaufbaus.[16]

Der Tough Guy kann dabei in der Rolle des Privatdetektivs, eines Verbrechers oder eines Gesetzeshüter zu sehen sein – Silver nennt diese Protagonisten auch „Wahrheitssucher“.[17] Neben diesen Figuren macht Kaufmann auch noch einen weiblichen Gegenpol der Femme Fatale aus, der auch für meine weiteren Untersuchungen von Bedeutung ist; die Nurturing Woman, die eine mütterliche, entsexualisierte Rolle einnimmt.

2.2       Neo noir

2.2.1     Entwicklung und Merkmale

Richard Martin[18] meint in seinem Buch zur Entwicklung des Neo noir Films, dass die Kraft jener Filme im Gegensatz zu den klassischen Film noirs darin liegt, dass die Identitätskrise des_der ProtagonistIn als Kern dieser modernen Filme keine Lösung anbieten kann. Was wir sehen können, sind antisoziales Verhalten einer psychotischen Figur, die in seiner/ihrer Selbstvernichtung innerhalb einer unwirtlichen und nicht empathischen Umwelt vor sich geht. Die entscheidende Zeitspanne zur Entwicklung des Neo noir in seiner heutigen Form sieht Martin in grundlegenden Änderungen in Hollywood von 1958 bis 1978. Geprägt ist diese Zeit vor allem durch den Niedergang des Studiosystems und einer Heterogenisierung des Publikums, und in durch das Auftreten und die wachsende Popularität von Autorenfilmer wie Godard, Altman, Coppola oder Scorsese.[19] Der klassische Film noir wurde von diesen als revisionistisches Objekt und als Werkzeug einer unverhohlenen politischen Untersuchung der amerikanischen Gesellschaft genutzt.[20] Mit der Fernsehserie Miami Vice ab 1984 wurde einerseits die Noir – Stylistik weiter modifiziert, hatte dabei andererseits großen Einfluss auf die modernistischen Neo noir Filme der 1980er und postmodernen Filme der 1990er Jahre. Dabei wurden die technischen Effekte, die mit der klassischen Reihe assoziiert werden, ergänzt durch neuere Elemente wie Zeitlupe, Standbilder und Steadicam – Aufnahmen. [21]

Wie beim Film noir der Nachkriegszeit wurden auch die Noir Filme der späten 1980er und 1990er stark von den politischen und gesellschaftlichen Bedingungen in den Vereinigten Staaten geprägt. Unter der Präsidentschaft von Ronald Reagan (1981 – 1989) und George Bush (1989 – 1993) kam es nach Martin zu einem Erstarren der Fortschritte bei Gleichberechtigungsfragen, einer Ausweitung der sozialen Ungerechtigkeit, der Förderung von Egoismus und Gier, einer Auferstehung des amerikanischen Imperialismus und zu einer erneuten Verbreitung patriarchaler Ideologie, mit dem Ziel die Überlegenheit des (weißen) Mannes zu erneuern. Dies führte in den Neo – noir Filmen zu einer Rückkehr der Thematisierung der Femme Fatale und generell zu Themen des klassischen Film noir. Die Darstellung der Figuren wurde dabei individualistischer, korrupter und gewalttätiger als in den Originalen. In Filmen von David Lynch, wie Blue Velvet oder Wild at Heart findet eine Ausweitung des Alptraumes der ProtagonistInnen sowohl auf den_die BürgerIn aus dem Mittelstand wie auch auf ländliche Gegenden statt. [22]

Neben diesen Elementen wird auch die Fortschrittsangst der 40er und 50er Jahre wieder aufgegriffen, indem „nun dehumanisierte Formen der Kommunikation (Computer, Fax, Anrufbeantworter) und der Überwachung (abgehörte Telefone, Zoom, Videokameras)“ [23] in die Handlung und Ausstattung eingebaut werden.

2.2.2     Femme Fatale

Die Femme Fatale in dieser Zeit, nach Ende des Production Codes, ist gefährlicher und teuflischer als ihre Vorgängerin der klassischen Ära. Ihre Sexualität benutzt sie als Waffe, sie ist intelligenter, hinterhältiger und mit mehr Selbstvertrauen ausgestattet. Die Gesellschaft schafft es nicht, sie für ihr Verhalten zu bestrafen oder sie zumindest zu rehabilitieren.[24] Dabei wird die Femme Fatale zum „chief object of desire“[25]. Im Gegensatz zum Film noir, wo die ihr anhaftende Sexualität noch durch verbale Metaphern ausgedrückt wird, zeigt die „Neo Femme Fatale“ diese mit der visuellen Sprache der Pornografie, abgeschwächt durch die Codes des Mainstreamkinos.[26] Sexuelle Gewalt als Bestrafung der Frau durch den Mann, Voyeurszenen und Videoaufnahmen der Frau gehören ebenfalls zu den narrativen Strategien der Darstellung der Femme Fatale[27], wie auch eine relativ tiefe Stimme, mit der sie „sehr frei, offen und provokativ“[28] spricht. Gleichzeitig verschwindet die Nurturing Woman aus dem Neo noir.

2.2.3     Einteilung

Der postmoderne Neo noir der 1990er Jahre zeichnet sich durch eine größere Referenzialität zu den klassischen Filmen der 40er und 50er Jahre, als noch in den 1980ern aus, wobei er auch die Neo noir Filme der 1960er und 1970er zitiert. Dabei werden oft die klassischen narrativen Werkzeuge wie Flashbacks und komplexe Strukturen aufgegriffen.[29]

Ambos[30] schlägt in ihrer Diplomarbeit zum Thema der Entwicklung des Film noir zum Neo noir die Einteilung dieser in den 90er Jahren gedrehten Filme in „Retro noirs“ – die in den 40ern und 50er Jahren des klassischen Film noirs spielen (wie zB, L.A. Confidental, USA 1997, R: Curtis Hanson) – und „Neo noir“ – als Filme die visuelle und narrative Aspekte der klassischen Periode aufgreifen, aber in der Gegenwart spielen (Basic Instinct, USA 1992, R: Paul Verhoeven) – vor.

Abrams[31] geht von zwei Veränderungen aus, die der Neo noir zu dem macht, was er heute ist; Einerseits das Setting, dass sich vom Raum als Bezugspunkt (die Stadt Los Angeles) zur Zeit (in einer fernen Zukunft oder Vergangenheit) gewandelt hat. Auf der anderen Seite sucht der Charakter nicht mehr nach Jemanden – er ist in sich gespalten und auf der Suche nach sich selbst; „divided in time as two selves, and one is looking for other“. Daraus folgen 3 Arten von Neo noir Filmen: Past-, Present- und Future- Neo noir.

Auch Mohr[32] gibt an, dass im Neo noir die Erfahrungen von Zeit und Raum verändert werden, vor allem die Subjektivität wird durch Vergrößerung, Sprünge, Beschleunigung oder Zeitlupe manipuliert. Der Handlungsstrang wird durch Rückblenden und Vorwärtssprünge unterbrochen, der Ton wird vom Bild getrennt. Dies weist auf eine tiefe Verwirrung über die Ordnung und Struktur der wahrgenommenen Welt hin, in der die ProtagonistInnen die Idee einer kohärenten Welt aufgegeben haben und sie nicht mehr zurück wollen.

2.3  Conclusio

Eine Unterscheidung zwischen Film noir und Neo noir ist vernünftigerweise nur von seinem Produktionsdatum her zu machen. Die schon ungenauen Grenzen des Film noir und die wissenschaftliche Diskussion, ob es nun ein Stil, ein Genre oder ein Mode ist, werden im Falle des Neo noir ad absurdum geführt, was die Erwähnungen von Filmen wie Back to the Future III (USA 1990, R: Robert Zemeckis) oder Indiana Jones and the last Crusade (USA 1989, R: Steven Spielberg) widerspiegelt.[33]  Die Subgenres des Neo noir werden sowohl durch Zeitepochen des extradiegetischen wie auch diegetischen Raumes versucht abzugrenzen. Das Literaturstudium zeigte, dass Neo noir immer einen Bezug zu seinen Vorgänger herstellt, sei es stilistisch und/oder narrativ. Die Femme Fatale ist weiterhin bestimmendes Merkmal im Neo noir, kann aber durchaus durch eine männliche Figur ersetzt werden. Der große Unterschied liegt in der noch mehr fetischisierenden Betrachtung der Frau als Sexobjekt und ihrer Lust nach Macht und Geld.

Aus diesen Betrachtungen lässt sich für Mulholland Drive zunächst feststellen, dass der Film ein Neo noir ist, der jedoch in der Darstellung der Femme Fatale nicht ganz eindeutig zuzuweisen ist. Auch verzichtet er größtenteils auf die explizite Darstellung von Gewalt und Sexualität. Wo diese gezeigt werden, finden wir gleichzeitig auch einen Sprung in der zeitlichen oder räumlichen Handlung vor. Um meine Feststellung zu untermauern, möchte ich mich mit den stilistischen Elementen, wie auch mit Referenzen zu klassischen Film noirs im nächsten Kapitel genauer auseinandersetzen.

3    In a scarlett boulevard

„Die Fünfziger waren großartig. Von den Zwanzigern bis etwa 1958 oder vielleicht 1963, das sind meine Lieblingsjahre.[…]“[34]

David Lynch beschreibt hier und auch in anderen Zitaten seine Faszination für die Jahre, die als klassische Film noir Periode gelten. Weiter drückt er seine Faszination für die Techniken und Narrative, die in diesen Filmen verwendet wurden aus.[35] Dies legt nahe, dass er in seinen Filmen auch Narrative wie auch Techniken und Ausstattungen verwendet, die eng mit dem Film noir verbunden sind, und die seinen Filmen eine Nähe zu dieser Periode gibt. Im Folgenden möchte ich diese Stilelemente genauer ausarbeiten. Weiter möchte ich diese Punkte mit Filmen aus der klassischen Periode in Verbindung bringen.

3.1       Handlung und Figuren

3.1.1     Verbrechen

Wie unter anderen Silver ausführt, ist eines der zentralen Handlungsstränge des Film noir das perfekte Verbrechen – der Mord und mit ihm Verschwörung und Verrat, Liebe und Sex sorgen dabei dafür, dass dieses perfekte Verbrechen nicht gelingt.[36] In Mulholland Dr. (MD) sehen wir einerseits das perfekte Verbrechen ebenfalls scheitern – der Zufall will zu Beginn des Filmes, das Rita/Camilla nicht erschossen wird, sondern durch einen Autounfall davor bewahrt wird. Andererseits sehen wir am Schluss des Filmes, dass Verbrechen nicht unbestraft bleibt – ebenfalls ein zentrales Motiv des Film noir, oft durch die Produktionsbedingungen unter dem Production Code vorgegeben. Ähnlich wie in Scarlett Street (USA 1945, R: Fritz Lang), wo Schuldgefühle Christopher Cross nach dem Mord an seiner Geliebten und der Todesstrafen für deren Zuhälter in den Wahnsinn treiben, plagen auch Diane in MD die Schuldgefühle in den Selbstmord – etwas, was unter dem Production Code nicht zeigbar gewesen wäre.

3.1.2     Vorbestimmung

Auch „der Alptraum der Vorbestimmung“ – seltsame Zufälle, unerklärte Vorfälle, und zufällige Begegnungen, die den oder die ProtagonistInnen in den Abgrund reißen[37], werden  in MD in der Figur des Regisseurs Adam Kesher gezeigt. Sein Alptraum tritt in Form einer Begegnung mit einer unbekannten Macht (Mr. Roque) und deren Vertretern (Die Castigliane Brüder) auf. Diese lösen für Adam eine Reihe von für ihn unerklärbaren Vorgängen aus, die ihn schließlich dazu zwingen, der Macht nachzugeben, wenn er nicht beseitigt werden will. Mr. Roque stellt dabei die undurchdringbaren Machtmechanismen Hollywoods dar, „cut off from the ebb and the flow of creative energy“[38], „die Kälte und Unfähigkeit der Filmbranche wahre Talente aufzuspüren und die Abhängigkeit an finanziellen Mitteln“[39] Mit MD schafft Lynch dabei seine eigene Version von Sunset Boulevard (USA 1950, R: Billy Wilder) – „a revision, Lynch´s unique account of what held Wilder´s attention too: human putrefaction in a city of lethal illusions“.[40] „Der Alptraum der Vorbestimmung“ aus dem Film noir lässt sich wohl nirgendwo so wiederentdecken wie in den Machtmechanismen Hollywoods. Wenn dabei in MD Betty im Traumpart noch lieber Rita helfen will, und das Castingset des Filmes verlassen muss, während Adam sein Schicksal abwendet, ist auch in Sunset Boulevard ein Treffen zwischen Norma Desmond und dem Regisseur Cecil B. DeMille für ihr Schicksal  verantwortlich.

3.1.3     Amnesie

Amnesie bzw. Figuren ohne Vergangenheit spielen ebenfalls eine große Rolle im klassischen Film noir. Diese repräsentieren soziale Entfremdung und psychische Konfusion, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg über die ehemals „gesunde“ US – amerikanische Bevölkerung legte.[41]

Wenn in Somewhere in the Night (USA 1946, R: Joseph L. Mankiewicz) der Protagonist Larry Cravat nur 2 rätselhafte Hinweise auf seine Vergangenheit hat und auf der Suche nach sich selbst in einen Mordfall verwickelt wird, ist es in MD Rita, die nach einem Autounfall ihr Gedächtnis verliert, und deren einzige Hinweise ihre Tasche mit Geld und einem blauen Schlüssel, die Erinnerung an einen Autounfall und der Name “Diane“ ist.

Zwei der berühmtesten Figuren des Film noir  – Gilda und Johnny Farrell aus Gilda (USA 1946, R: Charles Vidor) haben ihre Vergangenheit zwar nicht vergessen, sie wollen aber; „All three of us with no pasts, just futures. Isn’t that interesting?” oder auch “Get this, I was born last night, when we met in the alley.” Als die schwarzhaarige Frau in MD nach ihren Namen gefragt wird und ein Filmplakat von Gilda sieht, beschließt sie, sich nach der Hauptdarstellerin Rita Hayworth zu benennen. Zwei Punkte stellen einen starken Bezug zu MD her. Einerseits die Tagline des Plakats mit „There NEVER was a woman like Gilda“, andererseits, die Aussage Rita Hayworths´, die meinte „Every man I’ve known has fallen in love with Gilda and wakened with me.“[42]. Beide Zitate entsprechen der Auflösung in MD, nachdem es die Personen Betty und Rita niemals gegeben hat, bzw. diese nicht das sind, was uns zunächst gezeigt wird. Lynch gelingt mit der Assoziation zu Gilda aber auch noch die Verstärkung der Zuschreibung Ritas als Femme Fatale.

3.1.4     Traum und Handlungsaufbau

Auch Traumsequenzen sind ein zentraler Bestandteil des Film noir – The woman in the window (USA 1944, R: Fritz Lang) oder Laura (USA 1944, R: Otto Preminger) zeigen auf 2 Arten, wie Träume als narratives Element verwendet werden können. Bei The woman in the window zeigen sich dabei Elemente, die in MD ebenfalls zu finden sind. In beiden Filmen werden die im Traum auftauchenden Figuren am Ende durch Personen begründet, die der Protagonist zuvor innerhalb eines Raumes gesehen hat und miteinander in Verbindung gebracht hat.

Eine weitere Folge aus den im Film noir vorkommenden Traumsequenzen und ein wesentliches Merkmal sind komplexe Erzählstrukturen. Dabei kommt es in MD vor allem im zweiten Teil zu Rückblenden und Vorwärtssprüngen, die den realen zeitlichen Verlauf der Ereignisse verschwimmen lassen. Wenn der erste Teil als Traum gesehen wird, dann findet dieser im zeitlichen Ablauf als Todestraum ganz zum Ende der narrativen Handlung und des Filmes statt. Dabei soll die Rückkehr zur Traumrolle (Betty) in der letzten Szene nach dem bereits eingetretenen Tod verdeutlichen, dass nicht Diane selbst die Erzählerin des Geschehens ist, sondern dass jemand anderer Dianes echtes Leben oder ihren Traum erzählt – vielleicht Lynch selbst.[43] Oder ein anderer?

Der erste Teil zeigt die Erfüllung aller Wünsche und ist durch eine fast lineare Erzählweise gekennzeichnet. Die komplexe Struktur im 2., “realen” Teil des Films liegt laut McGowan darin begründet, dass „There is no chronology in the world of pure desire, because desire does not move forward; instead, it circulates around the object petit a […][44].

3.1.5     Weitere Referenzen

Viele Szenen und Sequenzen sind an Sunset Boulevard angelehnt, die wichtigsten Punkte möchte ich hier kurz anführen:

  • Betty und Norma werden bei ihrer Ankunft im Filmstudio am gleichen Tor gezeigt. Der Wagen, mit dem Norma Desmond in das Studio fährt, steht bei der Ankunft Bettys zur Abfahrt bereit.
  • Joe Gills, der männliche Hauptdarsteller gelangt zu Norma Desmonds Haus nach einem Autounfall. Rita hat ebenfalls einen Autounfall, bevor sie zum Haus von Betty gelangt.
  • Diane und Norma haben beide eine Waffe in ihren Bettkästchen.
  • Die Anfangsszenen der beiden Filme zeigen beide eine Autofahrt und die Filmcredits im diegetischen Raum.
  • Während in Sunset Boulevard Norma Desmond als Star, deren beste Jahre schon lange vorbei sind, bezeichnet wird, ist es in MD der Produzent Wally Brown, der von der Agentin später ebenfalls als schon 20 Jahre nicht mehr aktueller Produzent abgestempelt wird.

Dazu passend ist ein Zitat von David Lynch, wo er über Sunset Boulevard sagt:

„Boulevard der Dämmerung gehört auf jeden Fall in die Top Five meiner Lieblingsfilme“[45]

3.1.6     Musik

Ein zentrales Element vieler Film noirs, in dem Aussagen des jeweiligen Filmes reflektiert und auch transportiert werden, sind Musikstücke und Bühnenauftritte. Gildas Put the blame on Mame, der Song Time will Tell aus Black Angel (USA 1946, R: Roy William Neill) oder Melancholy Baby aus Scarlett Street haben alle ihre besondere Funktion und Aussage. Eine zentrale Szene in MD ist Rebekah Rios Interpretation von Roy Orbisons Crying im Club Silencio. Schon bevor der Song beginnt, wird dem Zuschauer und den beiden Frauen mit den Sätzen „No hay banda“, „It´s all recorded“, It´s all in tape“ in mehreren Sprachen signalisiert, dass etwas nicht stimmen kann. Die Erkenntnis über ihren zerplatzten Traum – „It´s all an illusion“ – überkommt Betty, während Rio vermeintlich in einer für viele Zuseher nicht verständlichen Sprache über den Verlust einer Liebe singt. Als sich dann die Gemeinsamkeit von Stimme und Körper auflöst, weinen beide Frauen, im Bewusstsein des Verlusts einer Beziehung.

 

3.2       Mise En Scène und Kamera

Im Folgenden soll in Ergänzung zu den oben angestellten Überlegungen die visuelle Umsetzung der Elemente aus dem Film noir, wie ich sie auch schon unter Punkt 2 angeführt habe, untersucht werden. Dabei werde ich besonders auf die Ausleuchtung, Orte und Ausstattung eingehen, sowie bestimmte Kameraeinstellungen und Schnitte mit einbinden.

3.2.1     Mise En Scène

“The arrangement of everything that appears in the framing – actors, lighting, décor, props, costume – is called mise-en-scène, a French term that means “placing on stage.” The frame and camerawork also constitute the mise-en-scène of a movie”[46]

Orte, Ausstattung und Gegenstände sind von wichtiger Bedeutung beim Film noir, da sie in Zeiten des Production Codes Informationen und Aussagen über Handlungen bieten konnten, die verbal oder performativ nicht übermittelt werden konnten.

Generell ist der erste Teil von MD durch starke Assoziationen an die 1940er und 1950er Jahre geprägt. Dies beginnt bereits in der ersten Szene des Prologs, der mit dem aus diesem Zeitraum populären Jitterbug – Tanz und den dementsprechend gekleideten Paaren in diese Stilrichtung einführt.

3.2.2     Havenhurst

Besondere Aufmerksamkeit verdient der Apartmentkomplex Havenhurst, in dem sich die Wohnung von Bettys Tante Ruth Elms befindet. Der gesamte Komplex hat eine große Ähnlichkeit mit jenen, in dem Humphrey Bogart und Gloria Grahame in In a lonely Place (USA 1950, R: Nicholas Ray) wohnen. Vom stählernen Eingangstor über Rundbögen, bis zum Springbrunnen mit nackten Figuren und im Hof offenen Stiegenaufgängen zu den Wohnungen im 1. Stockwerk sind die beiden Anlagen fast ident. Auch die Eingangstüren zu den Wohnungen und die Ausstattungen des Apartments sind im Stile der Film noirs gehalten. Stehlampen, ein Kamin, Bilder und dunkle Vorhänge sind stilprägende Elemente, die in vielen Film noirs zu finden sind. Spiegel, die die Funktion einer Vergrößerung des Raumes und der Verstärkung der Femme Fatale durch Doppelgängereffekte und visualisierten Narzissmus hatten, befinden sich in MD nur im Bad – dem Ort des ersten Aufeinandertreffens von Betty und Rita. Dort spielen sie auch eine zentrale Rolle – bei der Namensgebung und der Identifikation des Zuschauers von Rita als Femme Fatale mit Hilfe des Filmplakates von Gilda und bei  der „Überschneidung“ der beiden Frauen, wo sich Rita die blonde Perücke aufsetzt und damit zum Ebenbild Bettys wird.

3.2.3     Kleidung, Make-Up und Accessories

Kleidung und Styling, vor allem bei Frauen, dienen der Positionierung der Protagonistinnen innerhalb der Handlung. Rita wird in beiden Teilen des Filmes (mit einer Ausnahme)  mit schwarzen oder schwarz-roten Kleidungsstücken gezeigt, die zusammen mit den schwarzen Haaren und den tiefroten Lippen einen starken Kontrast bilden, und Assoziationen als Femme Fatale zulassen. Jene Szenen, in denen Rita vollkommen in Weiß gekleidet ist, spielen an dem Tag, an dem sie sich an den Namen „Diane Selwyn“ erinnert – das Weiß deutet also die eigentliche Unschuld Ritas an, während sie ansonsten als Femme Fatale dargestellt wird. Betty wird im ersten Teil des Filmes hingegen deutlich als unschuldig dargestellt. Ihre Kleidung variiert von weißer Bluse mit rosa Strickweste bis zum grauen Hosenanzug, mit dem Betty eine nahezu idente Kopie von Kim Novak in Vertigo (USA 1958, R: Alfred Hitchcock) darstellt. Diese gibt als Madeleine Elster vor, von einer Todessehnsucht besessen zu sein. Der Kleidungsstil Bettys weckt also starke Assoziationen mit der Rolle der Nurturing Woman.

Das unschuldige Aussehen verändert sich während des ersten Teils des Filmes immer mehr, so trägt Betty mit fortschreitender Dauer Nagellack, Ohrringe und eine Perlenhalskette. Diese Accessoires, die stark mit der Darstellung der Femme Fatale verbunden werden, trägt Rita bereits am Anfang des Filmes.

Ab der Szene im Club Silencio sind sich Betty und Rita ebenbürtig. Rita trägt eine blonde Perücke und ein schwarzes Kleid, Betty ein rotes Oberteil mit schwarzem Rock.

Der zweite Teil zeigt Diane während der Dinnerparty als Ebenbild Camillas, mit schwarzem Cocktailkleid. Bevor sie Adams und Camillas Annäherung und Kuss während der Dreharbeiten sieht, trägt sie noch ein einfaches, hellblaues Kleid, das man wohl am ehesten mit ländlicher Einfalt beschreiben kann.

Eine weitere wichtige Person ist Coco, die Vermieterin in Havenhurst bzw. Mutter von Adam Kesher. Sie hat in beiden Teilen immer schwarze, bzw. schwarz – rote, verzierte Kleider an und ist mit großen, schweren Ohrringen und Ringen sowie langen Perlenketten ausgestattet. Das Make-Up hat ebenfalls einen starken schwarz – rot Kontrast und gibt Coco beinahe künstliche Züge.

3.2.4     Weitere Orte und Gegenstände

American Diners, wie Winkies in MD sind ebenso zentraler Bestandteil des Film noir, wie Stundenhotels. In ein solches müssen Christopher Cross in Scarlett Street oder Martin Blair in Black Angel ebenso wie Adam Kesher, nachdem ihm das Schicksal (oder die höhere Macht Hollywoods) dorthin führt. Das Diner, in dem Diane dem Mörder den Auftrag erteilt, bildet „ein Symbol des die Charaktere treibenden animalischen Hungers, ihres Verlangens und ihrer Habgier, sogar eine zentrale Ursache des sich entfaltenden Unglücks.“ [47]

Telefone sind das zentrale Kommunikationsmittel des Film noir und ebenso in MD. Mit einer Telefonkette am Beginn des Filmes wird das Schicksal Adams, Dianes und Camilla Rhodes´ besiegelt. Auf die Wichtigkeit des Telefons wird in einer Einstellung mittels einer extra am Telefon angebrachten Lampe hingewiesen. Dabei wird das Telefon von unten gefilmt, um es als Bedrohung wahrzunehmen.

Zigaretten wurden in Zeiten des Production Codes häufig als Ersatz für sexuelle Handlungen und als Phallussymbol eingesetzt. Adam zündet sich unmittelbar vor dem Aufrufen des Namens Camilla Rhodes eine Zigarette an, und bläst den Rauch genussvoll in Form eines Ringes in die Luft. Ein Hinweis, dass Adam eine sexuelle Beziehung mit Camilla hat.

In einer weiteren Szene kommt – eben keine – Zigarette vor. Am Ende der Probe für das Vorsprechen, in dem Rita die männliche Rolle spricht, sagt sie zu Betty „But you´re really good!“. Betty simuliert das Anzünden einer Zigarette und sagt dabei mit männlicher Stimme „Thank you, thank you darling“. In dieser Szene wird gleich zweimal die Geschlechterordnung durcheinander gebracht – Rita spricht eine männliche Rolle und Betty imitiert am Ende der Szene einen typischen von einem Mann ausgesprochenen Satz.

3.2.5     Kamera, Schnitt und Licht

Bereits im Prolog des Filmes beginnt David Lynch, Licht und Schatten Elemente, wie sie auch der Film noir benutzt, einzusetzen. Während die im Vordergrund tanzenden Paare farbreich und mit High-Key-Lightening inszeniert sind, wird durch die eingeblendeten tanzenden Schatten ein surreales Bild erzeugt, dass durch zusätzliche Überblendungen in die Schatten noch verstärkt wird.

Der Filmtitel wird dem Publikum durch die helle, flackernde Ausleuchtung eines nächtlichen Straßenschildes verraten. Dadurch tritt ein starker Hell/Dunkel Kontrast auf. In weiterer Folge wird die Fahrt einer Limousine mit langen Totaleinstellungen und einer Low-Key-Beleuchtung gezeigt. Die Inszenierung von Rita zu Beginn des Filmes, nimmt Bezug auf Elemente der Kunstgeschichte. Die Einstellung im Stile eines Portraits zeigt ein Head Shot Close – Up von Ritas Kopf in Low-Key-Beleuchtung mit 3 markanten Punkten – ein glänzender Ohrring, 2  helle Lichtreflexionen in den Augen und die hervorstechenden roten Lippen. Das Gesicht ist gegenüber der Umgebung hell ausgeleuchtet, die schwarzen Haare bilden einen Übergang zum Schatten.

Nach dem Unfall geht Rita den Abhang hinunter – und der Zuschauer folgt immer tiefer in die Traumwelt. Die Verunsicherung und Verwirrung Ritas wird durch eine verwackelte, subjektive Kameraaufnahme Richtung Abhang und über die Stadt Los Angeles visualisiert. Lynch lässt uns den Weg Ritas genau nachverfolgen – indem er die Straßennamen einblendet, stellt er auch eine Referenz zu Sunset Boulevard her. Durch Einsatz des Available Lightening  – der Straßenbeleuchtung – entsteht mit den Palmen am Straßenrand die in vielen Noirs zu sehenden Gitterlinien. Dabei werden abwechselnd Deep – Focus Aufnahmen mit Gegenschnitten auf Ritas hell ausgeleuchtetes Gesicht in Tiefenschärfe, das Schrecken und Orientierungslosigkeit ausdrückt, gezeigt.

Die Szene einer „Telefonkette“ – hintereinander werden mehrere Telefonate bzw. Telefone gezeigt – wird durch ein Extreme Close Up von Lippen eines Unbekannten begonnen. Mit der Aufnahme dessen Hinterkopfes und eines Arms am anderen Ende des Apparates wird ein Gefühl der anonymen Bedrohung vermittelt und durch das von unten aufgenommene, ausgeleuchtete Telefon noch verstärkt. Dabei vereint Lynch in der letzten Einstellung Telefon, Tischlampe und ausgedämpfte Zigaretten als starke Symbole des Film noir.

Bettys erster Auftritt wird in hellem Tageslicht inszeniert, ein starker Kontrast zu Ritas erstem Erscheinen. Der Focus liegt dabei bei Betty und Irene. Die Begleitung einer älteren, lächelnden Dame unterstreicht dabei die Unschuld, Hilfsbereitschaft und Aufopferung der Nurturing Woman. Die Musik spielt in der Inszenierung eine wesentliche Rolle, da sie bei weitem nicht so dunkel und geheimnisvoll wirkt, wie das bei Rita der Fall war. Mit der subjektiven Kamera bei der Erkundung der Wohnung übernimmt der Zuschauer die Sichtweise Bettys. Das Apartment wird dabei sehr hell ausgeleuchtet gezeigt, um Farbe und Helligkeit zu verstärken und größere Licht – Schatten – Kontraste zu erzielen.

Das erste Aufeinandertreffen Ritas und Bettys wird von einer zentralen Kameraposition als Medium Close Up im Gegenschuss gezeigt. Im Zusammenhang mit der vorangegangen Szene im Bad wird Rita durch die nackte Haut hinter Milchglas und dem nur im Handtuch mit freien Schultern geführten Dialog mit Betty weiter als Femme Fatale inszeniert. Auch die Positionierung neben einem Bilderrahmen zeigt, dass Rita sich außerhalb der Norm befindet.

Gegenschnitte mit Extreme Close Ups von Augenpaaren, die im Film noir, verschiedene nonverbale Bedeutungen haben, werden auch in MD oft verwendet. Die erste Szene findet dabei zwischen Adam Kesher und einem der Castiliagne Brüder statt. Aber auch Betty und Rita tauschen diese Blicke aus, als sie das Geld in Ritas Handtasche finden. Weiter kommt es zu einem Austausch von Blicken zwischen Betty und Adam am Castingset. Diese Blicke vermitteln laut Lynch selbst innere Einstellungen (attitudes) an den Zuschauer und ersetzen unnötige Sprechdialoge.[48] Im Falle der oben genannten Beispiele sind dies wohl Feindschaft, Verschwörung und Verwirrung.

Mr. Roque, der die Macht der Filmindustrie in Hollywood darstellen soll, wird von Lynch durch extrem niedrige Kameraeinstellungen und Oberlicht inszeniert, die ihn als übermächtig erscheinen lassen. Im Gegenschuss wird der Dialog im Deep – Focus, die seinen isolierten (Macht-) Raum und Unberührbarkeit verstärken, inszeniert.

Jene Szenen, in denen der potentielle Mörder Camillas, Joe Messing, vorkommt, wirken im Film eigentlich deplatziert. Dies ist sicherlich dem zu Grunde liegenden Serienkonzept zuzuschreiben. In unseren Kontext wirken sie stark parodistisch und für den ersten Teil des Filmes übermäßig modern und brutal, was man als Elemente des Neo noir interpretieren kann.

Während dem Telefongespräch mit ihrer Tante liegt Betty zunächst noch entspannt auf der Couch, als sie jedoch bemerkt, dass Rita keine Freundin ihrer Tante ist, zoomt die Kamera auf ihre Gesicht und ein Schatten legt sich über Bettys Gesicht. Die Vorahnung, dass hier etwas nicht stimmt, wird dadurch verstärkt. Während man Bettys Stimme immer leiser hört, bewegt sich eine subjektive Kamera durch das Apartment Richtung Schlafzimmer, wo Rita mit Kopfschmerzen auf dem Bett sitzt. Bei der anschließenden Szene unterwirft sich Betty der Femme Fatale Rita, indem sie vor ihr kniet. Dabei wird im Gegenschnitt Betty von oben über die Schulter Ritas und im Gegenlicht inszeniert, während Rita von leicht unten im Oberlicht gezeigt wird. Betty fällt dabei immer wieder in den Schatten Ritas.

Kurz darauf nehmen Betty und Rita die Tasche mit dem gefundenen Geld und dem blauen Schlüssel und verstecken es in ein einer Hutschachtel. Dabei werden zunächst beide Frauen halb zueinander stehend im Raum gezeigt. Die Beleuchtung ist Frontal auf beide gerichtet. Dadurch wirken beide Frauen gleichberechtigt, nur die Hutschachtel – wo das Geheimnis „begraben“ wird – steht zwischen ihnen. Auch im Film noir hatten Objekte, die zwischen 2 Personen stehen, immer eine Bedeutung. Hier ist es das Geheimnis, dass die beiden verbindet. Wenn dann Betty die Tasche nimmt und in die Hutschachtel gibt, dann zeigt die Kamera nur mehr ihre Arme. Der_die ZuschauerIn kann daraus schließen, dass es sich eigentlich um ihr Geheimnis (Geld und Schlüssel) handelt, dass in der Schachtel versteckt wird und aus dem Bewusstsein verschwindet.

Ab dem Zeitpunkt des Betretens der Sierra Bonita Apartments (wo Diane Selwyn wohnt) kann man in vielen subjektiven Kameraeinstellungen nicht mehr erkennen, ob es Rita oder Betty ist, aus deren Blick wir das Erlebte zu sehen bekommen. Auch die Einstellung auf die synchronen Schritte der beiden Frauen verstärkt das Gefühl, dass sich die beiden Persönlichkeiten immer stärker überschneiden. Der Gang durch die Wohnung ist extrem dunkel ausgeführt, die gesamte Szene mittels Low-Key Belichtung inszeniert. Als Betty und Rita dann aus der Wohnung laufen, findet die Überschneidung einen Höhepunkt, in dem beide Frauen bildlich überlagert werden. Durch die Verzögerung der Überblendung werden beide Frauen durchsichtig und gleichzeitig sichtbar.

Schließlich werden beide Frauen nebeneinanderstehend im Spiegel gezeigt. Rita mit blonder Perücke, bedeckter Schulter, ohne Schmuck. Betty mit schulterfreien Kostüm, glänzenden Ohrringen und Perlkette. Die Angleichung der beiden Personen ist perfekt und wird durch eine Einstellung nach dem Sex bestätigt. Dabei sieht man Ritas linke Gesichtshälfte von der Seite im Focus und dahinter genau passend Bettys rechte Gesichtshälfte außerhalb des Focus´. Nachdem Rita erwacht kommt es zu einer Schärfenverlagerung auf Bettys Gesichtshälfte. Lynch will uns damit zeigen, dass die Persönlichkeit der Figuren nicht mehr klar definierbar ist. Ob beide ein und dieselbe Person sind, oder ob die beiden Figuren ihre Identität, ihr Leben miteinander getauscht haben, können wir dabei (noch) nicht feststellen.

Der zweite Teil des Films hat eine gänzlich andere Optik. Diane wird in der ersten Szene nur mit einem Nachthemd bekleidet gezeigt. Sie ist ungeschminkt, ihre Haare zerrauft. Ihre Wohnung wird nicht oder nur wenig zusätzlich beleuchtet, was sie natürlicher, als das Apartment in Havenhurst erscheinen lässt. Lynch lässt uns schlussfolgern, dass wir uns jetzt in der Realität befinden.

Camillas erster Auftritt ist eine Illusion Dianes. Sie wird als Objekt der Begierde Dianes gezeigt – im Stil einer Büste mit einem Head and Shoulders Close Up mit nackten Schultern. Der schwarz – rot Effekt bleibt erhalten. Sie ist sowohl im Traum, als auch in Realität ein Objekt der Begierde. In der nächsten Szene liegt Camilla fast bewegungslos mit dem Rücken auf der Couch, während Diane sie dominiert und die sexuelle Initiative ergreift. Damit wird der Eindruck Camillas als Objekt nochmal verstärkt. Im Gegensatz zur Bettszene im ersten Teil ist die jetzige wesentlich unerotischer, kälter und von puren Verlangen und Lust gekennzeichnet. Die schräge, extrem niedrige Kamera auf Diane am Ende der Szene lässt sie als dominant, männlich und bedrohlich – für Camilla und für uns Zuschauer – wirken.

Mit der nächsten Szene wird endgültig klar, dass Camilla nicht nur für Diane das Objekt der Begierde ist, sondern auch für den männlichen Part im Film – Adam Kesher. Die beiden kommen sich im Rahmen von Dreharbeiten bei einer romantischen Kussszene in einem Auto näher. Dabei wird Camillas Aussehen durch starkes Make-up, aufwendige Accessoires und Kleidung nochmal verstärkt. Dass Camilla von beiden begehrt wird, ist auch in der ersten Szene bei der Cocktailparty zu sehen. Sowohl Adam als auch Diane stoßen, bildlich und zeitlich getrennt voneinander, mit den Worten „Auf die Liebe!“ mit Camilla an. Diese äußert sich nicht dazu.

4     „Put the blame on Mame“ – Das Geschlechterverhältnis in Mulholland Drive

Das vorangegangene Kapitel zeigt deutlich, wie Lynch mit Referenzen und Effekten, die so oder ähnlich bereits im Film noir verwendet wurden, seine Figuren charakterisiert und ihre Bedeutungen auf die Zuseher überträgt. Ein weiterer Punkt dabei ist das Geschlechter-verhältnis, dessen Darstellung im Film noir einen besonderen Stellenwert hat. Im Folgenden möchte ich in Anlehnung an Kai Kaufmanns Arbeit „Das Geschlechterverhältnis im amerikanischen Film noir“ (Alfeld/Leine 1997) und ergänzenden Betrachtungen über David Lynchs Arbeit in Bezug auf Gender und Sexualität[49] dieses genauer erörtern.

Wenn wir uns den von Kaufmann zitierten Satz (Anmerkung 15) aus Kapitel 2 in Erinnerung rufen, und diesen wie folgt erweitern;

„Im narrativen Zentrum des Film noir steht ein Protagonist, dessen maskuline Identität durch die Begegnung mit einer ´femme fatale´ problematisiert wird. Die sich zwischen ihnen entwickelnde romantische Beziehung impliziert den sexuellen Charakter der männlichen Souveränitätsgefährdung, denn neben ihrer Rätselhaftigkeit ist es vor allem die übersteigerte sexuelle Anziehungskraft der femme fatale, die den Protagonisten in den fatalen Handlungsverlauf hineinzieht“[50]

müssen wir uns die Frage stellen, wer der Mann im narrativen Zentrum in MD ist, und wie seine Handlungsspielräume sind.

Meine These ist, dass David Lynch den dominierenden männlichen Diskurs (siehe Anmerkung 15) an den Rand der Handlung versetzt und gleichzeitig den weiblichen Diskurs in den Vordergrund holt. Dennoch lässt sich die Verunsicherung des männlichen Protagonisten durch die Sexualität der Femme Fatale und die Untergrabung der patriarchalen Integrität in MD nachvollziehen, und die Personen und deren Agieren damit erklären. Dass eine solche Verschiebung von Geschlechterrollen und Brechung von Sehgewohnheiten in Lynchs Intention sein könnte, sieht auch Braziel so, die schreibt „[…]Lynch´s films deterritoralize desire, provocatively refiguring gender and sexuality in ways useful for feminist and queer thought.“ [51] Braziel zitiert dabei Martha Nochimson, die über Lynchs Filme meint, dass sie „a loosening of ´Hollywood´s straightjacketing of gender identity´“ darstellen und die Definitionsmacht Hollywoods über alles was mit Weiblichkeit und der individuellen Frau zu tun hat, in Frage stellen.[52]

4.1       This is the man!

Der männliche Protagonist in MD ist Adam Kesher, der von Justin Theroux gespielt wird. Im Vorspann wird dieser nach Einblendung des Filmtitels an erster Stelle genannt, obwohl er eine vergleichsweise kleine (sichtbare) Rolle gegenüber den beiden Frauen im Film spielt. Die Rolle des Adam entspricht sicher nicht der zentralen Männerfigur des Tough Guy im Film noir, dies muss einerseits nicht zwangsläufig so sein, andererseits sind Charakterzüge des Tough Guy deutlich zu erkennen. Unter anderen zeichneten sich die Protagonisten der klassischen Filme durch „eine zynische, bisweilen sogar vor Abscheu und Haß [sic!] gekennzeichnete Haltung gegenüber ihrer Umwelt aus.“[53], was man im Verhalten Adam Keshers nachzeichnen kann. Der visuelle Ausdruck ist dabei geprägt von einer „traditionell als schwächlich und daher als ´unmännlich´ beurteilten Eigenschaft […] die unter anderem seinem ´tough talk` als Ausdruck seiner Männlichkeit entgegenstehen.[54]

Adam sieht sich zunehmend einer von „Absurdität gekennzeichneten Welt“ gegenübergestellt, dessen Ordnung sich als „chaotisch und brutal“ darstellt. Eine „existentialistische Entscheidungsmöglichkeit“[55] steht mit der Wahl der richtigen Schauspielerin vor ihm. Zuflucht findet er in einem billigen Hotel, womöglich zusammen mit anderen, ähnlich traurigen und einsamen Figuren.

Adams Männlichkeit wird durch mehrere Szenen während des Films erschüttert. Seine nunmehrige Ex – Frau erwischt er mit dem muskelbepackten, langhaarigen Poolreiniger und wird von diesem aus seinem eigenen Haus geworfen. Fortan bewegt er sich mit rosa Farbspritzern auf seinen schwarzen Anzug durch den Film. Seine Schwäche wird noch verstärkt, in dem der Poolreiniger später durch einen noch größeren Mann ohne Probleme bezwungen wird. Seine zukünftige Verlobte Camilla nimmt ihre ehemalige homosexuelle Beziehung Diane zur Verlobungsparty mit, und küsst dort eine andere Frau, die Diane zum Verwechseln ähnlich sieht. Seine Mutter Coco ist merklich mit der Wahl seiner zukünftigen Frau nicht zufrieden, unterhält sich nur mit Diane und verdreht die Augen bei der Ankündigung der Verlobung. Adam hat also einiges zu verarbeiten.

4.2       This is the girl!

4.2.1     Darstellung der Frau

Die Ausbildung der Darstellung von Weiblichkeit im Film, und hier besonders im Film noir ist geprägt durch die Herstellung der Dichotomien Natur und Weiblichkeit sowie Kultur und Männlichkeit.[56] Dabei wird der Frau die Repräsentation der Wildnis, des „Anderen“ und „Fremden“ zugeordnet. Die von Butler angeführten Dichotomien lassen sich auch deutlich in MD wieder erkennen: Während Adam Kesher als Regisseur der Kultur zugeordnet ist, kommt Rita aus dem Gebüsch der Hollywood Hills in die Stadt. Betty/ Diane kommt aus Deep River, Ontario, Kanada, was im Zuseher ebenfalls Assoziationen mit Menschenleere und Wildnis weckt.

Diese Vorstellungen, die mit der Ausbildung der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert einhergingen und bis heute nachwirken, prägen „die durch ungezähmte, übersteigerte weibliche Sexualität gekennzeichnete mysteriöse Frau, als auch ihr Gegenbild der domestizierten, mütterlichen Frau“, welche „in der „femme fatale“ und der „Nurturing Woman“ zu generischen Figuren des amerikanischen Film noir geworden“ sind.[57] Diese stellen also Projektionen einer Verunsicherung des Mannes dar und prägen die frauen-feindliche Darstellung im Film noir.

4.2.2     Rita/Camilla

Die bereits in vorangegangenen Kapiteln zugeschriebenen Eigenschaften von Rita und Camilla, möchte ich unter Einbeziehung der oben genannten Überlegungen noch ergänzen; So geht Rita nach dem Unfall in das Gebüsch der Hollywood Hills, man sieht sie zwischen den Palmen der Straßen von Los Angeles laufen, um sich zu verstecken. Anschließend sucht sie Schutz und Schlaf in den Gebüschen vor dem Havenhurst Apartmentkomplex. Damit gelingt Lynch eine eindeutige Zuordnung Ritas zur Wildnis. Gemeinsam mit einer harten Beleuchtung hat sie vor allem im ersten Teil des Filmes ein fast maskenhaftes Aussehen. Als Camilla Rhodes kommen weitere Attribute der Femme Fatale zum Vorschein; ihre verstärkte sexuelle Anziehungskraft, die sie auch in ihrem Streben nach beruflichem Erfolg, Geld und luxuriösem Wohlstand einsetzt und die Zigarette als phallisches Symbol.[58] Camilla ist also in beiden Teilen des Filmes als Femme Fatale inszeniert.

4.2.3     Betty/Diane

Die Nurturing Woman ist der Gegenpol zur Femme Fatale, und bildet die traditionellen Rollenerwartungen an Frauen ab. Wenn diese dabei als mütterliche Frauenfigur auftritt, die Liebe, Verständnis, Vergeben schenkt, und dafür wenig Gegenleistung erwartet[59], dann finden wir diese Eigenschaften bei Betty Elms zu Beginn des Filmes vor. Auch erscheint sie anfangs langweilig und unerotisch. Neben der schon weiter oben beschriebenen Kleidung Bettys, ist diese Inszenierung auch in der Belichtung ihrer Figur zu erkennen.

Wie ich ebenfalls schon anmerkte, wird diese Darstellung auch immer wieder durchbrochen, je öfter, desto mehr der Film fortschreitet. Dies ist auch gleichbedeutend mit dem Durchbruch der Realität. Die Wunschvorstellung von Betty als Nurturing Woman wird teilweise ersetzt durch das Bild einer Femme Fatale. Ihre Fürsorge schlägt in Mordgelüste gegenüber des Objekts der Begierde um, das sie nicht haben kann. Dies wird vor allem in der Couchszene in Dianes Apartment und bei ihrem Auftritt bei der Verlobungsparty von Camilla und Adam augenscheinlich, wie ich schon weiter oben ausgeführt habe.

Schon davor bricht die Sexualität Bettys in der Casting – Szene durch, die in Erinnerung an den Production Code eine verschlüsselte Sexszene darstellt. Betty spielt dabei den fordernden, aktiven Part, was uns Lynch mit dem Extreme Close Up von Bettys Hand, die jene des Partners auf ihr Gesäß drückt, zeigt. In der Probe mit Rita wird die Szene noch komplett unschuldig gespielt. „She is innocent yet sexual; she is naive yet aware of how the world works, she is hopeful yet not easily duped”, wie esMcGowan ausdrückt.[60]

4.2.4     „Coco“

Coco ist in ihrer Inszenierung Camilla und Rita sehr ähnlich, sie erscheint als ältere Spiegelung der beiden. Bei der Verlobungsparty zeigt sie sich als dominante, bevormundende Mutter Adams, die ihn zu Tisch zwingt und alles andere als erfreut über die Beziehung ihres Sohnes zu Camilla ist. Diane hingegen behandelt sie fair und interessiert sich für sie. Im ersten Teil wird sie zur freundlichen Vermieterin, die nur mit Betty in Beziehung steht und von Rita und Adam vollkommen abgetrennt wird. Nur kurz sieht sie Rita im Wohnzimmer sitzen und ist keineswegs erfreut über ihre Anwesenheit und nimmt sie als Bedrohung wahr.

4.3       Mulholland Drive, Revisited

Wenn der Film noir den männlichen Protagonisten als narratives Zentrum sieht und das Geschlechterverhältnis dabei primär aus seiner Perspektive gezeigt wird[61], lässt dies bei MD zunächst folgende Interpretation zu:

Der Regisseur Adam Kesher ist der männliche Protagonist und gleichzeitig der Erzähler des Filmes[62]. Wie wir im zweiten Teil des Filmes sehen können, ist Adam geprägt von einer starken Abhängigkeit gegenüber seiner dominanten Mutter Coco. Seine Freundin Camilla Rhodes ist ein jüngeres Ebenbild seiner Mutter, die ihrerseits Camilla nicht leiden kann, da sie in Konkurrenz zu ihr steht. Adam hat neben der Abhängigkeit zu seiner Mutter also auch noch eine Freundin, die ihre Bisexualität offen zur Schau stellt. Vielmehr erfahren wir gar nicht, ob Adam und Camilla wirklich eine sexuelle Beziehung haben, da sie uns nicht gezeigt wird. Im Gegensatz dazu sehen wir die lesbische Beziehung Camillas zu ihrer ehemaligen Freundin Diane. Beide Frauen sind davon überzeugt, für ihre Begierde nach Luxus, Geld und Berühmtheit ihre sexuelle Attraktivität einzusetzen. Diane bei Camilla, aber auch Camilla bei Adam. Die Femme Fatale (Camilla) erschafft ihrerseits und für sich eine solche (Diane).

Die Anwendung dieser Mittel von Diane an Camilla durchbricht dabei das im Film noir normierte Geschlechterverhältnis und die Bedrohung des Mannes durch die Femme Fatale.

„[…] it is sexual relations that are important, especially the bitter struggle […]between the woman and the man. She offers herself in order to dominate, to make a fortune, only rarely for any pleasure involved. The man accepts the pleasure, but flees from the woman´s domination[…][63]

Es wird gezeigt, dass die Gier nach Geld und sexueller Befriedigung nicht eine Sache der Frau ist, die den Mann dabei als Zielobjekt hat, sondern dass dazu alle Menschen fähig sind, ohne Geschlechterdifferenz. Lynch kritisiert mit diesem Verhalten aber auch die „Menschenmühle“ Hollywood, die „normale“ Menschen zu Mörder macht.

Diese Brechung der traditionellen Darstellung der Femme Fatale wird durch die Übernahme des Subjekts verdeutlicht. Die Hierarchie des männlichen Diskurses wird also aufgehoben, was durch Übernahme von bestimmten Kamerapositionen – point of view und subjektive Kamera – visualisiert wird:

„Von einem weiblichen Diskurs ist daher die Rede, wenn die Frau ihre Position als Objekt des Mannes […] durchbricht und sich damit von dem Benannten zu dem Benennenden selbst macht, also die Position eines aktiven Subjekts einnimmt.“[64]

Dies zeichnet auch die in aktuelleren theoretischen Abhandlungen überdachte Rolle der Femme Fatale als Femme Moderne nach:

„Other noir films […] challenge viewer expectations of strict oppositions by placing would-be „femme fatale“ in the role of subject, femme moderne and hard-boiled female protagonist.”[65]

Adam scheint bei der Verlobungsparty selbstsicher zu sein (er erzählt von seiner Exfrau und der Scheidung zu seinem Gunsten), obwohl er seine Mutter sowie die neue und alte Freundin seiner zukünftigen Frau um sich herum hat. Doch dieses Selbstvertrauen täuscht. Seine Männlichkeit ist in Frage gestellt.

Im ersten Teil des Filmes bekommen wir eine Traumsequenz zu sehen. Dieser Traum muss nicht unbedingt ein Traum Dianes sein, er kann ebenso als Projektion Adams, seiner in Gefahr befindlichen Männlichkeit und der Strategie der Auflösung des Problems gesehen werden.

Seine Mutter wird vollkommen von Adam gelöst. Eine Trennung von der dominanten, geliebten Mutter findet statt. Anstatt dessen kümmert sich diese um Betty (also Diane). Damit können beide Frauen ihr eigenes Leben führen, und Camilla ist frei für ihn. Jedoch weckt der Anblick von Frauen beim männlichen Zuschauer als auch beim männlichen Protagonisten nicht nur die von Freud beschriebene Lust am Schauen des präödipalen Kindes, sondern auch eine aus der Ödipalphase stammende Kastrationsangst[66], denen auf 2 Arten begegnet werden kann. Sowohl die masochistische Unterwerfung als auch die männliche Kontrolle und sadistische Bestrafung der Frau sind dabei im Film noir allgemein, als auch in MD vorhanden;

„Sie reflektiert konkurrierende Bedürfnisse des Protagonisten, der einerseits zeitweise masochistische Lust auf eigene Unterwerfung verspürt und andererseits häufig am Ende die Frau sadistisch für das bestraft, was er schließlich als `phallische Anmaßung´ anstatt `mütterlicher Vollkommenheit´ interpretiert.“[67]

Die Bisexualität Camillas als männliche Schwäche interpretierend und deren Ähnlichkeit mit seiner Mutter veranlassen ihn im Traum zu folgenden Aktionen: Er bestraft sie am Anfang des Traumes, indem er sie töten lassen will. Dazu Kaufmann:

„Die unnachgiebige, meist tödliche Bestrafung der `femme fatale´ wird entweder von dem Protagonisten selbst […] beispielsweise in Form eines Autounfalls, zählen kann. Damit wird schließlich sowohl die autonome Sexualität der `femme fatale´ als auch ihre damit zusammenhängende normüberschreitende Lust auf patriarchale Macht kontrolliert und sanktioniert.“[68]

Hauptsächlich jedoch gibt er dem masochistischen Bedürfnis der Überhöhung ihrer Figur als seine Femme Fatale nach und inszeniert sie als fremde Frau mit Namen Rita, deren „Fall“ er lösen möchte. Diane, von der Adam weiß, dass sie Camilla begehrt und eine Gefahr für ihn darstellt, wird zur asexuellen Nurturing Woman Betty, die ihm dabei hilft.

Im Traum reflektiert er auch seine Vergangenheit und zeigt seine Unsicherheit gegenüber seiner Exfrau, die er in flagranti mit einem anderen Mann erwischt hat. Er zeichnet nach, wie er durch höhere Mächte Camilla kennengelernt hat, und diese ihn davor fast in den finanziellen Ruin getrieben haben. In Anbetracht der Gefahr, die damit von Camilla in Realität ausgeht, transferiert er den Namen auf eine andere Person, die in Realität ebenfalls eine Gefahr für seine Beziehung zu Camilla ist. Der Film weist uns mit Nachdruck und mehrfach daraufhin, wer die Femme Fatale hier ist: „This is the girl!“.

Auf der Suche nach der Lösung des Falles, wird zunächst Betty immer gefährlicher. Von der asexuellen Person wird sie sexuell fordernd, wie die Castingszene zeigt. Danach herrscht Verwirrung als sich die Wege von Camilla, Betty und Adam auf einer Bühne kreuzen. Die Liebesnacht zwischen Betty und Rita lässt Adams Traum schließlich sprichwörtlich zusammenbrechen, der Traum und die Beziehung der Beiden müssen enden.

Aus dem Traum in die Realität wird eines klar: Diane ist eine Bedrohung für Camilla und Adam. Der eine sieht sie als massive Bedrohung seiner Beziehung zu Camilla und damit seiner Männlichkeit, die andere sieht sie als Bedrohung ihres Strebens nach Macht, Geld und sexueller Befriedigung – mit anderen Frauen, und vielleicht auch mit Männern.

Beide haben Recht: Diane will Camilla aus Rache töten lassen, die Inszenierung Dianes durch Lynch lässt eine neue Femme Fatale für Camilla entstehen. Die Zurückweisung Camillas und ihre Verlobung mit Adam sind für Diane nicht zu verkraften.

Dabei will nach McGowan Lynch auch beim Scheitern der lesbischen Beziehung mit traditionellen Rollenbildern, nämlich der der romantischen lesbischen Liebe, brechen;

„By showing that relationships fail[…], even in the case of lesbian lovers, the film does not enforce heteronormativity, thereby reducing the lesbian relationship to the model of the heterosexual one. Instead, it evinces a refusal to romanticize the lesbian relationship or to imagine that such relationships escape the exigencies of the subject´s insertion into language.” [69]

Sie engagiert einen Mann, der Auftragsmörder als Gelegenheitsberuf wahrnimmt, wie Lynch uns in 2 Szenen zeigt. Aus einem Mord wird bei Joe Messing schnell ein mehrfacher Mord. Es ist also anzunehmen, dass Adam und Camilla getötet werden.[70] Das schlechte Gewissen kommt in Form der alten Ehepaare vom Anfang des Filmes, die Adam und Camilla repräsentieren zurück, welche Diane in den Selbstmord treiben. Adam erzählt die Geschichte also als tote Person, ähnlich wie Joe Gills in Sunset Boulevard.

5     Zusammenfassung

Die vorliegenden Untersuchungen zeigten, dass MD als Neo noir mit starken klassischen Referenzen und einer klassischen Darstellung der Femme Fatale gesehen werden kann. Dabei wurde detailliert aufgezeigt, wie der Regisseur die Mittel des Film noir einsetzt, um seinen Film zu gestalten und dabei auch direkte Anspielungen auf Filme aus dieser Zeit in die Handlung und Ausstattung einbaut. Dabei wird einer von Lynchs Lieblingsfilmen – Sunset Boulevard – besonders ausgiebig  zitiert. Aus der Darstellung der Hauptfiguren und ihren Zuschreibungen als Tough Guy, Femme Fatale und Nurturing Woman wurde im Zusammenhang mit Überlegungen zu den im Film Noir dargestellten Geschlechterverhältnis und der Lynch unterstellten besonderen Behandlung von Gender und Weiblichkeit eine alternative Leseweise des Films entwickelt. Diese ist unter der Voraussetzung zu sehen, dass der Film Noir eine männliche Sichtweise zu Grunde liegen hat, diese aber von Lynch durch einen weiblichen Diskurs, und der Übernahme der Frau als Subjekt, ersetzt wurde. Das klassische Frauenbild und Geschlechterverhältnis des Film noir wird dabei durchbrochen.


[1] Mulholland Drive. In: International Movie Database (IMDb), online unter: <http://www.imdb.com/title/tt0166924/&gt; (02.01.2013)

[2] Helen Donlon (Hg.), David Lynch. Talking. (Berlin 2008), 44f. Lynch gibt hier seine Unzufriedenheit mit dem vorliegenden Film zum Ausdruck.

[3] Vgl. „Scene-by scene comparison of non-aired Pilot (1999) and final feature (2001)”. In: Mulholland- Drive.net, online unter: <http://www.mulholland-drive.net/studies/pilot.htm&gt; (02.01.2013)

[4] Mit Ausnahme von Martha P. Nochimson, Mulholland Drive. In: Film Quaterly 56 (Herbst 2002) 37 – 45, online unter: <http://www.jstor.org/stable/10.1525/fg.2002.56.1.37&gt; (20.11.2012) gehen sämtliche wissenschaftlichen Arbeiten von der Zweiteilung Traum/ Realität aus.

[5] So wird Mulholland Dr. einer Analyse unterzogen in: Hans-Ulrich Mohr, Neo-noir Film: Evil and Postmodernism. In: Jochen Achilles, Ina Bergmann, Representations of Evil in Fiction and Film (Anglistik – Amerikanistik – Anglophonie 11, Trier 2009) 235ff.

[6] Alain Silver, James Ursini, Paul Duncan (Hg.), Film noir (Köln 2012) 10

[7] John Belton, Film noir: Somewhere in the night. In: ders., American Cinema / American Culture (New York 1994) 184f.

[8] Ebda, 185

[9] Ebda. 187

[10] Eine komplette Übersicht gibt: David P. Hayes, The Motion Picture Production Code, 2009, online  unter: <http://productioncode.dhwritings.com/multipleframes_productioncode.php&gt;, 14.01.2013

[11] Unter anderen: Silver, Ursini, Duncan (Hg), Film noir, 16f.

[12] Gesamter Absatz auch: Belton, Film noir, 188

[13] Ebda, 198

[14] Unter Berücksichtigung der folgenden Kapitel beziehe ich mich auf die Beschreibung von: Kai Kaufmann, Das Geschlechterverhältnis im amerikanischen Film noir. In: Georg Hoefer, Aufsätze zu Film und Fernsehen, Bd. 45 (Alfeld/Leine, 1997) 1

[15] Kaufmann, Das Geschlechterverhältnis im amerikanischen Film noir, 2

[16] Janey Place, Women in Film noir. In: E. Ann Kaplan, Women in Film noir (überarbeitete und erweiterte Auflage, London 1998) 54f.

[17] Silver, Ursini, Duncan (Hg), Film noir, 15f.

[18] Richard Martin, Mean Streets and Raging Bulls. The Legacy of Film noir in Contemporary American Cinema (Lanham 1997) 8

[19] Ebda, 22

[20] Ebda, 25f

[21] Jeremy Butler, Miami Vice and the Legacy of Film noir. In: Journal of Popular Film and Television 13 (No. 3 1985) 127 – 138, zitiert in: Martin, Mean Streets and Raging Bulls, 29

[22] Martin, Mean Streets and Raging Bulls, 52f.

[23] Michaela Ambos, Die Entwicklung des amerikanischen Film noir zum Neo noir, dargestellt anhand der Figur der „Femme fatale“ – eine Analyse von „Fatal Attraction“, „Basic Instinct“ und „The Last Seduction“ (unveröffentlichte Diplomarbeit, Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften, Universität Wien 2001) 40

[24] Martin, Mean Streets and Raging Bulls, 54

[25] Kate Stables, The postmodern Always Rings Twice: Constructing the Femme Fatale in 90s Cinema.     In: Kaplan, Women in Film noir, 164

[26] Stables, The postmodern Always Rings Twice, 179

[27] Ebda, 174

[28] Ambos, Die Entwicklung des amerikanischen Film noir zum Neo noir,, 77

[29] Martin, Mean Streets and Raging Bulls, 117

[30] Ambos, Die Entwicklung des amerikanischen Film noir zum Neo noir,, 36f.

[31] Jerold J. Abrams, Space, Time and Subjectivity in Neo-noir Cinema. In: Mark T. Conrad, The Philosophy of Neo-noir (Lexington 2009) 7

[32] Hans-Ulrich Mohr, Neo-noir Film: Evil and Postmodernism, 234

[33] Beides in: Mark T. Conrad, The Philosophy of Neo-noir (Lexington 2009)

[34] Donlon, David Lynch, 84

[35] Unter anderen beschreibt er seine Vorliebe für Schwarz und Weiß, Licht und Dunkelheit sowie seinen Gefallen an Identitätsproblemen in: ebda, 65 bzw. 85

[36] Silver, Ursini, Duncan (Hg), Film noir, 25

[37] Ebda, 39

[38] Nochimson, Mulholland Drive, 39

[39] Nadja Sulek, Die Interaktion von Traum- und Traumasequenzen in David Lynchs Eraserhead und Mulholland Drive. (unveröffentlichte Diplomarbeit, Philologisch – Kulturwissenschaftliche Fakultät, Universität Wien 2009) 118

[40] Nochimson, Mulholland Drive, 39

[41] Belton, Film noir: Somewhere in the night, 189

[42] Hier: Rita Hayworth. In: Wikiquote.org, 02.01.2013 online unter: <http://de.wikiquote.org/wiki/ Rita_ Hayworth> (04.01.2013), Original: John Koba, Rita Hayworth: The Time, The Place and the Woman. (New York 1977) 257

[43] Eric G. Wilson, The strange world of David Lynch: Transcendental irony from Eraserhead to Mulholland Drive (New York 2007) 159, zitiert in: Sulek, Die Interaktion von Traum- und Traumasequenzen,108

[44] Todd McGowan, Lost on Mulholland Drive: Navigating David Lynch´s Panegyric to Hollywood. In: Cinema Journal 43 (No. 2, Winter 2004) 73

[45] Donlon, David Lynch, 149

[46] Gabriel Moura, Mise-en-Scène. In: Elements of Cinema.com. A students guide to the fundamentals of filmmaking, online unter  <http://www.elementsofcinema.com/directing/mise-en-scene.html&gt; (04.01.2013)

[47] Kaufmann, Das Geschlechterverhältnis im amerikanischen Film noir, 83

[48] David Lynch. In: Production Notes, Mulholland Drive, USA 2001, R: David Lynch, DVD (Home Edition, CONCORDE Home Entertainment, 2002)

[49] Jana Evans Braziel, ´In Dreams…´: Gender, Sexuality and Violence in the Cinema of David Lynch. In: Erica Sheen, Annette Davison, The cinema of David Lynch. American dreams, Nightmare visions (London 2008) 107 – 119

[50] Kaufmann, Das Geschlechterverhältnis im amerikanischen Film noir, 12

[51] Braziel, ´In Dreams…´. 108

[52] Martha Nochimson, The Passion of David Lynch: Wild at Heart in Hollywood. (Austin, 1997), zitiert in: Braziel, ´In Dreams…´. 108

[53] Ebda, 46

[54] Kaufmann, Das Geschlechterverhältnis im amerikanischen Film noir, 49

[55] Alle Begriffe unter Anführungszeichen: ebda, 51

[56] Judith Butler, Gender Trouble (New York 1990) 37, zitiert in: Kaufmann, Das Geschlechterverhältnis im amerikanischen Film noir, 37

[57] Kaufmann, Das Geschlechterverhältnis im amerikanischen Film noir, 39

[58] Weitere Zuschreibungen nach: ebda, 41f.

[59] Place, Women in Film noir, 52

[60] McGowan, Lost on Mulholland Drive, 77

[61] Kaufmann, Das Geschlechterverhältnis im amerikanischen Film noir, 110

[62] Die These einer alternativen Erzählfigur zu Diane ist bereits in Kapitel  3.1.4 Traum und Handlungsaufbau beschrieben worden

[63] Jaques Siclier, Misogyny in Film Noir, in: Barton Palmer, Perspectives on Film Noir (New York 1996) 71

[64] Kaufmann, Das Geschlechterverhältnis im amerikanischen Film noir, 54

[65] Julie Grossman, Film Noir´s “Femmes Fatales”: Moving Beyond Gender Fantasies, in: dieselbe, Rethinking the Femme Fatale in Film Noir. Ready for Her Close-Up (New York 2009) 34

[66] Laura Mulvey, Visual Pleasure and Narrative Cinema, ursprgl. in: Screen Bd. 16 (Heft 3, Herbst 1975) 6 – 18

[67] Kaufmann, Das Geschlechterverhältnis im amerikanischen Film noir. 118

[68] Ebda, 86

[69] McGowan, Lost in Mulholland Drive, 77

[70] Die Theorie ist auch zu finden unter: The old couple strike back, In: Mulholland-Drive.net, online unter: <http://www.mulholland-drive.net/theories/18.htm&gt; (08.01.2013)

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Banksy – a genius in the gift shop?

Wie die Transformation von Genievorstellungen im Film “Exit through the gift shop“ (USA, 2010)hilft, die Wahrheit zu verbergen. Den nachfolgenden Text habe ich im Zuge eines Kurses innerhalb des BA Geschichte zum Thema „Genie/Geschichte(n): Theorien und Visualisierungen wahnsinnig-genialer Figuren ab 1900“ bei Dr. Julia Köhne. geschrieben. Viel Spaß!

Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Film Exit through the gift shop und soll zeigen, dass er vom Regisseur des Filmes dazu genutzt wurde, eine umfassende Kritik an den Mechanismen des Kunstmarktes zu üben und dabei gleichzeitig den_die Zuschauer_Innen von der Echtheit der erzählten Geschichte zu überzeugen. Inhaltlich möchte ich zunächst eine längere Zusammenfassung des Filmes wiedergeben, bei der sich bereits Anmerkungen zu den dargestellten Geniesymboliken befinden. Danach werde ich auf den Regisseur eingehen, um darzulegen, wie schwierig es ist, eine Person biografisch zu erfassen, die anonym bleiben möchte. Die biografische Darstellung des Hauptdarstellers, die sich im Wesentlichen auf einen Zeitungsartikel stützt, führt zu einer Durchdringung des Filmes, die zeigen wird, welche Intentionen der Regisseur hatte und wie diese in der Handlung umgesetzt wurden. Den Schluss bildet eine Interpretation des Filmes nach den Genievorstellungen, wie sie um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert vorherrschten, wo das künstlerische Genie der Sturm & Drang Zeit mit religiöser Verehrung und Wahnsinn in Verbindung gebracht wurde. Dieser Teil bietet auch die Erklärung, wie der Film durch die Transformation von Genievorstellungen die Zuschauer_Innen von seiner Glaubwürdigkeit als Dokumentation überzeugen konnte.

1.   Exit through the gift shop

Exit through the gift shop ist ein als Dokumentation aufgebauter Film aus dem Jahr 2010 unter der Regie eines britischen Künstlers, der nur unter seinem Pseudonym Banksy bekannt ist. Die Handlung des Films wird mittels Interviews der beteiligten Personen und Videoaufzeichnungen verschiedener Videokameras erzählt. Dies unterstützt die Intention des Regisseurs, den Film als Dokumentation über die Geschichte des Aufstiegs des Street Art Künstlers Mr. Brainwash, mit bürgerlichen Namen Thierry Guetta,  zu zeigen.

Der Film beginnt mit einem Interview des Regisseurs. Er erklärt, dass er den Film deswegen macht, weil ein Mann eine Dokumentation über Street Art machen wollte, aber an seiner Vollendung nicht so interessiert war wie er selbst, daher habe er die Aufgabe übernommen. Dabei wird Banksy im Gegenlicht als schwarze Silhouette gezeigt, allein in einem Raum auf einen Stuhl, mit einer verzerrten Stimme sprechend. Zur Identifikation seiner Person steht neben ihm ein Behälter, wie er zur Konservierung von Körperteilen benutzt wird, in dem sich die Maske eines Comic – Affenkopfes befindet. Der Affe ist ein immer wiederkehrendes Thema in Banksys künstlerischer Arbeit.

Der Mann, über den Banksy spricht, ist Thierry Guetta. Die einleitende Handlung des Films zeigt Guetta, wie er mit einer Videokamera sein komplettes Leben filmt. Der Grund, wie man später erfährt, ist der Tod seiner Mutter, den er nicht miterlebt hat. Seit er eine eigene Familie hat, erzählt er, habe er das Bedürfnis alles zu filmen, um diese Ereignisse und seine Familie für immer am Leben zu halten. Bei einem Urlaub in seiner ursprünglichen Heimat Frankreich filmt er dadurch seinen Cousin, den Street Artist Spaceinvader. Durch die nächtlichen Streifzüge mit Spaceinvader inspiriert, macht er es sich zur Aufgabe, alle Street Artists der Welt zu filmen. Dies bringt ihn auch zu Shepard Fairey, der seit den 1990er Jahren durch seine „OBEY“ Kampagne bekannt ist. Aus der Frage Faireys heraus, was Guetta mit dem Filmen bezwecke, antwortet er, dass er eine Street Art Dokumentation machen wolle. Aus Interviews mit Guetta erfahren wir jedoch, dass seine eigentliche Intention das Filmen allein ist. Es geht ihm nur darum, etwas auf Film festzuhalten, ohne das Material im Nachhinein verwerten zu wollen. Damit wird das Filmmaterial Guettas zur Dokumentation über die wichtigsten Street Artists der Welt. Mit einer Ausnahme. Banksy.

Der Hauptteil des Filmes beginnt mit einer der Aktionen, die Banksy berühmt gemacht haben – das Aufhängen von gefälschten Bildern in der Tate Gallery in London. Dies wird mit der Einblendung einer Nachrichtensendung mit Videomaterial, dass dem Sender zugespielt wurde, visualisiert. Der Regisseur Banksy zeigt im Folgenden, wie der Dokumentarfilmer Guetta den Street Artist Banksy sucht, dessen größtes Markenzeichen und Kapital seine Anonymität ist und schließlich „findet“. Besser gesagt, Banksy findet Guetta, nachdem er von ihm als optimalen Begleiter zum Auffinden der besten Plätze für Street Art in Los Angeles gehört hat und von Shepard Fairey vermittelt wird. Banksy zeigt sich begeistert davon, dass Guetta die Arbeit der Künstler filmt, da die Arbeiten oft am nächsten Tag verschwinden und er außerdem die Reaktion der Menschen auf seine Aktionen sehen möchte. Guetta wird danach selbst ins Allerheiligste Banksys, seiner Werkstatt in London mitgenommen, wo alle Mitarbeiter Banksys kritisch gegenüber Guetta sind, nur Banksy selbst nicht. Durch gegengeschnittene Interviews Banksys und Guettas sowie den Streifzug durch die Werkstatt wird der Eindruck erweckt, dass sich beide gegenseitig helfen. Guetta hilft Banksy dabei, seine Arbeit und die Reaktion darauf festzuhalten und Banksy hilft Guetta dabei, einen Film über die Geschichte und Akteure der Street Art zu machen – wenn auch nur vermeintlich. Während dieser Phase beginnt durch Interviewaussagen, Handlung und Musik die Verehrung Banksys als künstlerisches Genie. Ein besonderer Moment ist dabei die Visualisierung der Bedeutungslosigkeit von Geld für Banksy, der Millionen von Pfund gefälschter Banknoten in seiner Werkstatt für eine kommende Aktion hortet. Nach der Rückkehr Guettas in seine Heimatstadt LA zeigt er sich plötzlich inspiriert von der Arbeit Banksys. Er beginnt, Banksy und Shepard Fairey durch das Aufbringen von Aufklebern und Plakaten seines eigenen Abbildes mit einer Videokamera in der Hand zu imitieren und in Los Angeles zu verbreiten. Dies endet darin, dass er ein „OBEY“ – Plakat von Shepard Fairey überklebt. Dies widerspricht der Hauptregel des Graffiti[1], die ja als Vorläufer der Street Art gilt. Banksy wird in Folge seiner ersten großen Ausstellung in den USA, Barely Legal im Jahr 2006, zum gefeierten Star der Street Art und gleichzeitig wird diese dadurch von der Straße in die Auktionshäuser transformiert. Street Art wird zu einem großen Geschäft am Kunstmarkt, Banksys Arbeiten werden um mehrere 100.000 Dollar versteigert. Banksy meint im Interview dazu, dass es ihm eigentlich nie um Geld ging, dass Street Art nicht wegen des Geldes gemacht wurde und drängt Guetta, dies mit der Zusammenstellung seines Filmmaterials zu einer Dokumentation über Street Art zu beweisen. In diesem Moment versagt Thierry Guetta, indem er seine Dokumentation aus wirr ausgewählten Szenen seiner nicht beschrifteten Videokassetten zusammenstellt, die in einer Schnittorgie in der Art eines MTV Werbejingles endet. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass es Guetta nie um die Darstellung der Street Art bei seinen Aufnahmen ging (wobei er später im Film gegenteiliges behauptet – „Because I love arts“), sondern um das Filmen selbst. Aus dem Zwang heraus, etwas zu produzieren, stellte er eine massenkompatible Ware ohne künstlerischen Anspruch her, die sich später auch in seinen Werken zeigt. Banksy beschreibt im Interview den enttäuschenden Moment der Sichtung des Films Life.Remote.Control als den Zeitpunkt, wo er sich nicht mehr sicher war, ob Guetta ein Filmmacher oder ein Typ mit psychischen Problemen sei. Er erklärt, dass man das Material aber unbedingt zeigen müsste, und leitet so den großen Wendepunkt des Films ein: Banksy wird mit ihm zu Regisseur, der den für uns sichtbaren Film gestaltet hat und Guetta wird zum Street Art Künstler, der den Ruhm und die geniale Arbeit Banksys noch in den Schatten stellt. Damit wird aber auch zunehmend klar, dass es in diesem Film Ungereimtheiten gibt, die besonders den noch ausstehenden Film Plot betreffen und genauer betrachtet werden müssen.

Folgen wir aber zunächst dem Turn – Over des Regisseurs. Der bisherige Videofilmer und Kleidungsverkäufer Thierry Guetta wird zum Street Artist „Mr. Brainwash“ aka MBW. Einige Monate später wird Guetta als Herr über eine Factory, wie sie Andy Warhol ersann, gezeigt. Diesem diente sein Atelier zur Serialisierung von Bildmotiven, die durch die anonyme Herstellung durch Freunde und Mitarbeiter in der Factory die Vorstellung der Einzigartigkeit der individuellen Künstlerfigur zerstörte. Die persönliche Handschrift fehlt und der Schriftzug dient Warhol als Firmenlogo (Wie im Film MBW).[2] Ohne Erklärung woher er das Geld für die Räume und seine für ihn produzierenden Künstler hat, wird die Methode seiner Arbeit dargestellt. Diese zeichnet sich vor allem durch die Reproduktion von Bildern aus, die aus Kunstlexika genommen werden, und mit Photoshop nachbearbeitet werden. Da er den anderen, mittlerweile durch Ausstellungen etablierten Street Art Künstlern nicht nachstehen will, plant er seine eigene Show in den Räumen der ehemaligen CBS – Studios. Es wird ersichtlich, dass Guettas Interesse nicht in der Verbreitung von Street Art im öffentlichen Raum liegt, sondern an der möglichst öffentlichkeitswirksamen Vermarktung seiner Imitation von Kunst. Damit schreitet die Transformation der Kommerzialisierung der Street Art  weiter fort, mit Guetta an ihrer Spitze stehend. Gleichzeitig findet eine Transformation Guettas zum eigentlichen Genie durch den vorgeschalteten Ruhm, der durch den Hype um seine Person entsteht, statt. Dieser Ruhm wird im Vorfeld der Ausstellung noch durch seine einstigen Filmobjekte – Banksy und Shepard Fairey verstärkt, die für seine Show Werbung machen. Mit der Eröffnung der Show sind Publikum, Kritiker und schließlich auch Banksy von Mr. Brainwash begeistert, er bezeichnet ihn als Einzigartig. Zunehmend rückt der Focus von der Arbeit des Künstlers auf den Künstler und seine (nicht vorhandene) Intention selbst.

Am Ende des Films reflektieren Mr. Brainwash, Shepard Fairey und Banksy über den überraschenden, rasanten, aber auch substanzlosen Aufstieg Thierry Guettas als Mr. Brainwash. Guetta als verkanntes Genie verteidigt sich damit, dass die Zeit zeigen werde, ob er ein Künstler ist oder nicht. Fairey meint, aus dem schnellen Aufstieg Guettas könnte man etwas lernen und Banksy sagt abschließend, obwohl er der Überzeugung war, dass jeder Kunst machen sollte der will, er dies nie wieder jemand raten werde. Mit dem Einbruch der mit Life is Beautiful, dem Titel Guettas Ausstellung, besprühten Mauer bricht auch das Lügenkonstrukt des Filmes, dass uns der Regisseur hier unbemerkt untergejubelt hat, zusammen.

2.   Banksy & Mr. Brainwash

Um die These zu festigen, dass der Film als Teil einer lange geplanten Aktion Banksys und Faireys zu sehen ist, müssen wir zunächst einen Blick auf die Biografien der beiden Protagonisten Banksy und Thierry Guetta werfen – und stehen vor 2 Problemen. Das erste lautet; wie findet man die biografischen Daten einer Person, die in der Öffentlichkeit nicht erkannt und bekannt werden will?

Ich habe zu Banksys Leben verschiedene Quellen gefunden, die Widersprüchliches aussagen: Julia Reinecke schreibt in ihrem Buch Street Art aus 2007; „Banksy ist 1974 in Bristol (England) geboren. Zeitungsartikel zufolge könnte er Robin oder Robert Banks heißen. Auf Grund der Illegalität seiner Kunst bleibt Banksy jedoch anonym. Mit 14 Jahren, zur Zeit des Writing-Booms der späten 80er, begann Banksy mit Graffiti. Er machte gerade eine Ausbildung zum Metzger. Über den Fotokopierladen seines Vaters bekam er durch die aushilfsweise Gestaltung von Flyern den ersten Kontakt zu Druck und Design. Schlecht im freihändigen Umgang mit Dosen und Vorteile in Schablonen sehend, stieg Banksy bald um. In Schablonen fand Banksy sein perfektes Medium. […] Ihm gefällt darüber hinaus vor allem die politische Wirkung der Schablonen. Laut Banksy wurden Schablonen in der Geschichte dazu verwendet, Revolutionen zu beginnen und Kriege zu beenden.“[3]

Diverse Internetquellen schreiben ihm bezugnehmend auf eine Daily Mail Recherche vom Juli 2008 den Namen Robin Gunningham, geboren am 28.07.1973 zu. Dieser sei etwa 2000 in London untergetaucht, und hatte auch zu Leuten Kontakt, die Banksy kannten. Außerdem soll die Verbindung des Namenteils Gun zur Ähnlichkeit des produzierenden Geräusches – „Banksy“ ein Beweis sein.[4],[5]Im Artikel der Daily Mail tauchte auch ein vermeintliches Foto Banksys bei seiner  Arbeit in Jamaica aus 2004 von Robin Gunningham auf, mit dem er von ehemaligen Schulkollegen identifiziert wurde. Hier wird weiter erwähnt, dass Gunningham aus einer gutbürgerlichen Gegend Bristols  kommt und dieser zeitgleich mit dem Auftauchen von Banksys Arbeiten im Londoner Stadtteil Hackney 2000 nach London zog. Laut einem Daily Mail Artikel vom Mai 2009 sind seine Eltern Peter Gordon Gunningham und Pamela Ann Dawkins-Jones. Er ging auf eine Privatschule, war ein schlechter Schüler, aber laut Aussagen ehemaliger Schulkollegen ein begabter Künstler.[6] Dies widerspricht also der Darstellung des Buches von Reinecke und auch einer der ersten biografischen Angaben in  Tristan Mancos Buch Stencil Graffiti aus dem Jahr 2002.

Thierry Guettas Biografie lässt sich auf den ersten Blick problemlos mittels Zeitungsartikeln aus dem Internet nachstellen. Online – Lexika wie die deutsche oder englische Wikipedia geben als Geburtsdatum jedoch entweder das „20. Jahrhundert“ oder gar nichts an, beide schreiben ihm aber die französische Herkunft, die Arbeit als Dokumentarfilmer, Street Artist und Hauptdarsteller im Film Exit through the gift shop zu.[7],[8] Ein Interview, dass Guetta im Februar 2011 der Los Angeles Times gegeben hat, enthüllt Details über sein Leben, die den Aussagen des Films entsprechen: Er wurde 1966 in Garges-lès-Gonessem, einer Vorstadt nördlich von Paris, als jüngstes von 5 Kindern tunesischer Juden, die vor der Verfolgung nach Frankreich geflohen sind, geboren. Seine Mutter starb, als er 15 war und er zog mit seiner Familie nach Los Angeles. Amtliche Aufzeichnungen zeigen die Anmeldung der Sozialversicherungsnummer in den frühen 80er Jahren. Nachdem sie in ein Appartement gezogen waren, verließ der Vater die Kinder und starb bald darauf in Frankreich. Nachdem er nach einem Jahr von der High School geflogen ist, begann er Partys in Hollywood zu organisieren und kam so schon in Kontakt mit den Stars. Daneben begann er als Kaufhausdetektiv in einem Second Hand Kleidungsladen zu arbeiten und wurde auf Grund seines Fleißes bald zum Manager befördert. Er eröffnete laut amtlichen Aufzeichnungen eine Reihe von Läden, wo er durch den überteuerten Verkauf von importierten Second Hand Kleidungstücken aus Frankreich reich wurde. Die Produktionsfirma Warner Bros. bestätigte laut Artikel das Engagement von Guettas Firma als Designer von Verkaufsartikel für Warner. Laut Interview machte er damit so viel Geld, dass er sich eine Videokamera kaufte und ab diesem Zeitpunkt (1999) nur mehr filmte, was nicht ganz mit den Aussagen im Film zusammen passt. 2001 eröffnete er mit dem Schweizer Filmemacher Joachim Levy seine eigene Filmfirma – 3E Entertainment, mit der er auch den Film Life.Remote.Control produzierte, der im Film gezeigt wird. Levy gibt an, dass er entgegen der Aussagen im Film, Guetta beim Ordnen, Sichten und Markieren seiner Videobänder geholfen habe und droht damit, Banksys zu klagen, wenn er ihn nicht in die Credits des Filmes aufnimmt. Laut dem Zeitungsbericht traf Guetta 2006 Banksy, um seine Arbeit rund um Banksys Ausstellung Barely Legal zu filmen. Schließlich registrierte er im Frühjahr 2008 Internetwebseiten für die Werbung seiner eigenen Show Life is beautiful.[9]

Dieses Interview mit Thierry Guetta scheint eine lückenlose Biografie zu ergeben. Es besteht auch kein Zweifel, dass die darin enthaltenen Personen tatsächlich existieren, wie eine kurze Recherche ergibt. Die Homepage von Joachim Levy gibt als seine Kunden sowohl Banksy, Shepard Fairey als auch Mr. Brainwash an, den Film Life.Remote.Control kann man sich auf seiner Homepage ansehen.

Damit sind wir beim zweiten Problem – kann es sein, dass man mit dem Verkauf von Second Hand Kleidung Kredite über mehrere 10.000$ für die Eröffnung einer Produktionsfirma und Herstellung eines Filmes als auch für die Abhaltung einer Street Art Ausstellung bekommt, wie Guetta im Interview angibt? Wird ein Künstler nur durch das Glück, Banksy zu kennen, zum von Kritikern und selbst Banksy umjubelten Star der Szene? Oder ist die Figur Mr. Brainwash, gespielt von Thierry Guetta eine Erfindung von Banksy und Shepard Fairey, um auf ihre Weise zu zeigen, was sie von der Kommerzialisierung der Street Art halten? Stellt die Geschichte des Filmes eine Aktion dar, die über Jahre hinweg mit einem real existierenden Menschen geplant war?

3.   A Banksy Film

Im Grunde genommen handelt es sich bei „Exit through the gift shop“ um das Genre des Künstlerfilms. Allgemein spielt diese Art Film mit vielen klischeehaften Vorstellungen von Künstlerexistenzen, die seit der Sturm und Drang Zeit auch eng mit dem Geniebegriff verbunden sind. Dabei manifestiert sich diese als Gegenentwurf zum Bürgerlichen als begnadeter Schöpfer, einsamer Visionär, naturverbundener Sinnenmensch, Bohemien, Dandy, Lebemann, aber auch als zwiespältige Doppelexistenz.[10] Die bevorzugten 3 Typen der Darstellung im Film sind zunächst „das verkannte Genie, der nur für seine Kunst lebt und weder den Erfolg noch die Anerkennung verlangt. Eine weitere große Gruppe bildet der extrovertierte, bisweilen verrückte Künstler und Bohemien. Unter die dritte Gruppe fällt der pragmatische Künstler, der ganz gezielt auf den Zeitgeschmack und die Nachfrage hin produziert und meist in gesicherten Verhältnisse lebt.“[11] Zur dritten Gruppe meint Schönenbach weiter: „Anhand dieses Typus wird häufig im Film mit einem kritischen oder amüsanten Unterton der Kunstmarkt, der rein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten funktioniert, erklärt.“[12] Wenn wir uns vor Augen führen, in welchem Spannungsverhältnis Banksy und der Kunstmarkt agieren und uns die Arbeiten von Banksy und seinen Umgang mit der Öffentlichkeit und Institutionen ansehen, findet man viele Gründe, warum sein Film den Aufstieg des nicht gerade hoch inspirierten Künstler Thierry Guetta zum Superstar der Kunstmarktes zeigt und damit eine Parodie auf die Mechanismen des globalen Kunstmarktes darstellt. Diese These möchte ich nun weiter ausbauen und belegen.

Der Zeitpunkt, um diese Parodie zu planen würde ungefähr der Zeit im Film entsprechen, da er Guettas Life.Remote.Control ablehnt und Guetta im Film langsam zu Mr. Brainwash wird. Street Art erlebte seit Banksys Ausstellung Barely Legal 2006 einen immer größeren Hype und erzielte immer wahnwitzigere Preise auf dem Kunstmarkt. Banksy selbst ist also am Sprung zur Kommerzialisierung – ob gewollt oder ungewollt. Im Film äußert er sich in dieser Weise, dass es ihm eigentlich nur um die Street Art ging, was Guettas Film zeigen sollte.

Schönenbach schreibt dazu, dass „eine Verspottung künstlerisch Tätiger und ihrer Werke erst von dem Zeitpunkt an geben kann, als die Bildner ins gesellschaftliche Interesse rücken“. Und weiter; „Aus diesem Grund ist es nicht überraschend, dass es ebenso im Medium Film beliebt ist, Kunst, Kunstproduktion und Klischees über Künstler in Komödien zu verarbeiten, wenn auch nicht immer notwendigerweise in Verbindung mit einer fiktiven Künstlerexistenz.“[13]

Viele Hinweise auf eine Parodie finden sich, wie ich schon im Kapitel 1 angedeutet habe, im Film selbst: Ab dem Zeitpunkt, wo Banksy im Interview die Regie übernimmt, wäre der Film über Street Art ja eigentlich abgeschlossen. Woher kommt das Material, und welches Interesse hätte Banksy den Aufstieg Guettas zu Mr. Brainwash zu verfolgen? Von den Videoaufnahmen der Aktion des Guantanamo – Häftlings in Disneyworld erzählt Guetta im Interview, wie er während des Verhörs das gesamte Material auf der Kamera gelöscht hat – und doch sehen wir es im Film!? Zudem, welches Interesse hätte Banksy, einen wildfremden Mann seine Aktionen, seine Werkstatt und vor allem seine Person filmen zu lassen, wo er doch die Aktionen von seinen eigenen Leuten filmen lässt (West Bank, …)?

Am offensichtlichsten sind jedoch die Referenzen Banksys an die Person und die Arbeit Andy Warhols. Zunächst ist Guetta ständig mit einer Videokamera bewaffnet. Auch Andy Warhol hatte ständig eine Polaroid Kamera und einen Kassettenrekorder bei sich. Eine weitere Verbindung zwischen Warhol, Banksy und Guetta ist die Reproduktion der Campbell Soup Can Installation von Warhol. Während Warhol alle 32 Sorten der Suppe 1962 als Siebdruck auf ein Regal stellte[14], hängte Banksy eine Persiflage in Form der billigen Hausmarke einer britischen Supermarktkette ins MoMA New York[15]. Im Film lässt Guetta durch seine Helfer eine riesige Spraydose(!) mit der Campbell Soup Aufschrift bauen, produziert Siebdrucke, die eine exakte Reproduktion der Arbeit Warhols sind und verkauft diese schon vor der Show um mehrere 10.000$. Wohl gemerkt, ohne dass jemand seine Arbeit kennt! Auf die Frage einer Journalistin, warum er gerade die Campbell Soup so oft reproduziert hat, antwortet er damit, dass sie Teil der Pop – Kultur ist, aber alle in der Pop Kultur Tod sind, er lebe noch.

Die berühmteste und beste Kreation Andy Warhols war jedoch die Figur „Andy Warhol“ selbst, eine kunsterzeugende, reproduzierende Maschine, die in einer Fabrik (The Factory) arbeitete. So wie Andy Warhol sich selbst kreierte, so meine ich, dass auch Banksy im Film eine Figur kreiert hat. Banksy treibt es dabei jedoch noch weiter, und erfindet sich nicht selbst als reproduzierende Kunstmaschine, sondern einen nicht existierenden Künstler Thierry Guetta aka Mr. Brainwash. Da das Kino die Biographie eines Künstler braucht, um sich seinen Werk zu nähern[16], Banksy aber weiterhin anonym bleiben will, schafft er eine Figur, die den dahinter stehenden Künstler verschwinden lässt.

„Andy Warhol made a statement by repeating famous icons until they became meaningless. But he was extremely iconic in the way, that he did it. And Thierry made them really meaningless.” sagt Banksy im Film.

Mit dieser Aussage spricht er einerseits die eigene Erfindung an, gleichzeitig geht Banksy auch über in die Kritik des Kunstmarktes, die er mit dem Film äußern will. Diese kann aber nicht von der Art der klassischen Künstlerparodie im Film sein, welche ihre Kritik oft auf Kunstwerke bezieht, die zufällig entstehen, und somit keine künstlerische Leistung und einen Wert darstellen[17], denn diese hat bereits seit den 70er Jahren ein Ende gefunden.

Hier findet auch die Verehrung Warhols durch Banksy ein Ende. Sicher ist Banksys Schablonenarbeit von der Siebdruckvorlagentechnik Warhols inspiriert, aber doch kritisiert er die Art wie dieser in seiner Factory Kunst als Produktionsprozess herstellte. Dabei stellt er aber nicht die Reproduktion als solche in Frage, die in der Street Art weit verbreitet ist (Siehe die „OBEY“ – Kampagne von Shepard Fairey[18]), sondern die anonyme Massenfertigung, wie sie insbesondere Guetta betreiben lässt und Warhol betrieben ließ. Weiter zielt seine Kritik auf den Kunstmarkt und die Zuschauer_Innen, die ohne den Künstler und seine künstlerischen Intentionen zu hinterfragen, viel Geld ausgeben, weil dieser durch geschickte Medienarbeit zu einem Star gemacht wird. Dies geschieht im Film durch Banksy und auch Shepard Fairey selbst, die zum „Apostel“ für Mr. Brainwash werden, den jeder Künstler zur Verbreitung seines Ruhmes benötigt,[19] über die Bereitschaft der beiden, Werbung für Mr. Brainwashs Ausstellung zu machen. Ohne dass die Zuschauer_Innen der Show und wir es merken, warnt uns Banksy sogar vor Guetta, indem er schreibt „Mr. Brainwash is a force of nature, he´s a phenomenon. And I don´t mean that in a good way“. Mit ihrer Promotion bringen er und Fairey einen Stein ins Rollen, der einerseits dazu führt, dass die Zeitungen dazu die Show ankündigen[20], und dass der Kunstmarkt schon vor der Ausstellungseröffnung sehr hohe Summen für die Bilder des zuvor nur durch seine MBW-Schablonendrucke in Los Angeles bekannten Guetta bezahlt.

Journalisten, Künstler, Kritiker und Händler nehmen hier die Position der „Spezialisten des Zuschauens“ ein, die schließlich „auch ein Bild von Spezialisten im Produzieren“ hervorbringen: das Genie.[21] – Guetta! Dieser Erkenntnis werden wir uns am Ende der Ausführungen noch mal widmen.

Ein weiteres Indiz der Kritik am Kunstmarkt ist der Titel des Films. Zusammen mit dem Inhalt prangert Banksy mit Exit through the gift shop die Kommerzialisierung der Street Art als Massenware, die nur mehr in Museen und Ausstellungen stattfindet, an. Definitiv steht Street Art spätestens seit dem Hype um Banksy in einem Spannungsfeld zwischen Straße, Kunst und Kommerz[22], jedoch bleibt die Straße als öffentlicher Interventionsraum ihr wichtigster Teil. Wenn dieser durch Ausstellungen verdrängt wird, kommt es zum Ausverkauf der Werke durch Massenreproduktionen, die man im „Gift Shop“ erwerben kann. Das Werk des Künstlers wird dadurch zur beliebigen Massenware eines anonymen Produzenten, was der ursprünglichen Intention der Street Art widerspricht. Aus dem Graffiti kommend, war das Ziel sein Logo oder später Character im öffentlichen Raum anzubringen, um so Respekt innerhalb der Szene zu erlangen.[23]

4.   A genius in the gift shop?

Meine Interpretation von Genievorstellungen möchte ich in verschiedene Teilgebiete gliedern. Zunächst möchte ich einführend mit allgemeinen Geniebegriffen und Interpretationen der Figuren im Film beginnen. Dann möchte ich die Komplexe Genie und Talent sowie Genie und Wahnsinn auf die Personen umlegen, wobei ich mich grob an Lombrosos Werk Entartung und Genie und an Lange-Eichbaums Genie, Irrsinn und Ruhm halten werde. Den Abschluss bildet die Umlegung Edgar Zilses Die Geniereligion auf die Handlung des Filmes.

Genievorstellungen

Der Begriff des Künstlers ist mit dem des Genies spätestens seit der Sturm & Drang Zeit am Ende des 18. Jahrhundert verbunden. Dabei wird die Andersartigkeit des Künstlers von den breiten Massen oft als „egozentrisch, temperamentvoll, neurotisch, rebellisch, unzuverlässig, ausschweifend, extravagant, von ihrer Arbeit besessen, der bürgerlichen Gesellschaft entfremdet und alles in allem als schwierige Lebensgefährten“ wahrgenommen.[24] Die Entwicklung des modernen Geniebegriffs ist zunächst entscheidend von Scaliger 1561 durch seine Unterscheidung in 2 Genien – einen guten und einen bösen – geprägt. Sie bereitet den Weg für die spätere Vorstellung von einer dunklen Seite, dem Irrsinn und Wahn, den Weg.[25] Mit dem Höhepunkt des Sturm & Drangs sind die Vorstellungen des Künstlergenies weitgehend abgeschlossen. „Das Genie verdankt alles sich selbst, es braucht kein Studium, keine Regel, keine Nachahmung und kein Vorbild mehr. Quellen seines Schöpfertums sind seine Subjektivität, und diese ist individuell und einzigartig, mit einem Wort: originell. Tradition und Konvention verlieren jeden Geltungsdrang.“[26] Daraus bilden sich wiederum 3 Stereotypen des modernen Künstlergenies, die das Bild seit 1800 prägen: das Schöpfen aus dem Inneren, das gesellschaftliche Außenseitertum, und das Leiden des Künstlers.[27] Weitere Zuschreibungen des Genies wären Einsamkeit, Weltfremdheit, materielle Askese, Männlichkeit und Hang zur Psychopathie. Dabei werden zugleich der Weiblichkeit zugeschriebene Charakterprägungen wie Sterblichkeit, Zeitlichkeit, Geschichtlichkeit, Familie und Versehrbarkeit ausgeblendet.[28]

Wenn wir die gesammelten Genie- und Künstlerzuschreibungen nun auf den Film umlegen, können wir sowohl Banksy als auch Thierry Guetta damit charakterisieren. Der erwähnte Stereotyp des Schöpfens aus dem Inneren lässt sich bei Banksy mit der Originalität seiner Arbeit belegen – die ihn ja grundlegend von Guetta unterscheidet. Der Begriff der Subjektivität kann mit der eigenen Interpretation und des darauf folgenden Ausdrucks von Politik und Gesellschaft durch Banksy übersetzt werden. Guetta hingegen kopiert und reproduziert Kunst, die er von Warhol, Banksy oder Fairey kennengelernt hat, ihm haftet nichts Originelles an. Das gesellschaftliche Außenseitertum wird durch Banksys unberechenbare Aktionen wie in der Tate oder in Disneyworld unterstrichen. Weiter zeigt sich die Verweigerung der gesellschaftlichen Normen durch die Überschreitung von Gesetzen, die bei den Interventionen im öffentlichen Raum stattfinden. Weltfremdheit, Einsamkeit und materielle Askese wird im Film durch die Darstellung von Banksy als schwarze Silhouette, bei der gerade noch ein Casual – Kleidungsstil erkennbar ist, und vor allem durch die verzerrte Stimme vermittelt. Während diese Zuschreibungen bei Guetta zunächst nicht der Fall sind, ändert sich die Darstellung im Laufe des Films, worauf später noch eingegangen wird. Der leidende Künstler ist bei Banksy höchstens in diesem Sinne zu finden, als dass er daran leidet, was er mit seiner Anweisung an Guetta, ein Künstler zu werden, angerichtet hat. Wie Krieger jedoch meint, ist der Topos des leidenden Künstlers eher ein Mythos, der seinen wahren Kern in den ungesicherten Existenzen des Berufskünstlers im 18. Jahrhundert hatte.[29]

Nach Luhmann gehört es auch zum Genie, sich nicht sofort kommunizieren zu können, sondern auf Entdeckung warten zu müssen.[30] Dies können wir im Leben Banksys so interpretieren, als dass er einerseits bis heute anonym ist, und nicht entdeckt werden will – auch wenn das einen großen Teil seines Marktwertes ausmacht – und andererseits ist Graffiti und Street Art eine Kunst, die sich erst von der visuellen  Überflutung durch Marken, Graffitis und Zeichen im öffentlichen Raum hervorheben muss, um überhaupt entdeckt zu werden. Guetta hingegen macht sich selbst zum vermeintlichen Genie, indem er durch Werbung und fremde Hilfe zum Künstler wird.

Die Visualisierung Banksys Geniewerdung beginnt im Film mit der Darstellung der Aktion an der Mauer der West Bank, die als besonders politisch, gefährlich und heiß diskutiert gilt. Ab diesem Zeitpunkt wollen alle wissen, wer er ist, das Publikum wird durch die internationalen Nachrichtensendungen aufmerksam, dass seine Arbeit bereits über die ganze Welt verteilt ist. Bei sphärischer Musik erklärt uns Guetta, dass er nicht weiß, welcher Engel ihm Banksy bringen sollte. Als Höhepunkt der Visualisierung des Genies Banksys wird die Aufzeichnung Banksys Arbeit durch Guetta mit engelsgleichen Chorälen untermalt, wobei Guetta seine ganze Genialität gar nicht beschreiben kann, Banksy wird unvergleichlich.

Moderne Kunstkonzeptionen, die mit dem Künstler als Gesamtkunstwerk eine enorme Ausstrahlung auf das Publikum haben und ihn so zum Genie erheben, hat bereits Richard Wagner zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorweggenommen.[31] Die darin enthaltene Aufhebung der Trennung zwischen künstlerischen Akteuren und dem Publikum erfolgt bei Banksy über den geteilten öffentlichen Raum, in dem sich Publikum und der arbeitende Künstler befinden. Dieser wird teilweise durch Werkstätten, aber insbesondere durch vorbereitete Ausstellungen, wie sie Guetta macht, wieder abgetrennt. Der Punkt der politischen Aufladung der Kunst ist bei Banksy durch Ort und Inhalt seiner Werke offensichtlich (Westbank, Polizisten, Guantanamo, …). Die Aufhebung der Trennung von Kunst und Leben erfolgt einerseits über die Anonymität. Im Falle der im Kapitel 3 erläuterten Erfindung der Figur Guettas äußert sie sich als Verschmelzung der beiden Personen, wobei wir die beiden Welten nicht mehr unterscheiden können.

Genie und Talent

Wenn wir die unter Anmerkung 28 auf Seite 12 erwähnten Merkmale wieder aufnehmen, so können wir die dortigen weiblichen Charakterzuschreibungen problemlos auf die Person des Thierry Guetta umsetzen. Die Zeitlichkeit seiner Person wird durch die verschiedenen Videoaufnahmen und Fotos seines Lebens gezeigt, ebenso symbolisieren sie die Geschichtlichkeit. Die Familie Guettas ist sogar erst der Grund für seinen manischen Umgang mit der Kamera. Schließlich wird die Versehrbarkeit durch den Beinbruch und die Traurigkeit über den Tod seiner Mutter gezeigt. Lombroso behauptet nun in seinem Werk, dass Frauen im Unterschied zu Männern höchstens Talent besitzen. Wenn dem Genie das Topos der Originalität und des Schaffens aus der Subjektivität anhängt, so hängt dem des Talents das der Reproduktion und des Glücks an. Auf den Film und Thierry Guetta übertragen sehen wir, dass es bei Guetta durch das Glück, die richtigen Leute zu treffen und der Reproduktion von Kunstwerken höchstens zum Talent reicht. Man könnte also die Darstellung Guettas dahingehend interpretieren, dass sie die weibliche Seite Banksys zeigt, die es ihm zudem ermöglicht, die Kommerzialisierung und Reproduktion seiner eigenen Arbeit zu rechtfertigen. Dies begründet sich in Lombrosos Ausführungen über „das Talent des Weibes“, das „sich immer selbst zu Gute kommt“[32] und der Zuschreibung des Materiellen an die Weiblichkeit. Diese Dichotomie führt uns zum nächsten Punkt.

Genie, Irrsinn und Ruhm

Wenn Lombroso davon schreibt, „dass die Genialität des Weibes in seinem Mitgefühl besteht, das häufig auch nur Spott erntet und unerwidert bleibt, impulsiv und spontan und mit degenerativen Neurosen, besonders Hysterie verknüpft ist“[33], sehen wir im Film gleich mehrere Zuschreibungen auf die Figur Guettas, aber auch gleichzeitig die Vorstellungen der oben erwähnten guten und bösen Genien gefestigt. Schopenhauers Formulierung „Genialität und Wahnsinn haben eine Seite, wo sie aneinandergrenzen, ja ineinander übergehen“[34] prägte die Publikationen von ua. Lombroso und Lange-Eichbaum und drang so als Allgemeinplatz in das Publikumsbewusstsein ein.[35] Lange-Eichbaum versucht dabei, zunächst das „Genie von seinen ideologischen Zuschreibungen des Ruhms und der Geniereligion zu entkleiden und nur im Hinblick auf biologische und soziologische Gesetzmäßigkeiten in seiner Beziehung Genie und Irrsinn zu betrachten.“[36] Guetta zeigt zum Teil die in Lange-Eichbaums Werk beschriebenen Zustände der Neurosen und Psychosen, bzw. werden sie ihm von Banksy („…I don´t mean that in a good way“, “..maybe just someone with mental problems“) und Mitarbeitern der Ausstellung („…he´s just kind of retarded“) zugeschrieben. Unterstützt werden diese durch die Darstellung Guettas als wild herumfuchtelnden, trampolinspringenden, wirr arbeitenden Menschen, dessen Neurose durch ein traumatisches Erlebnis wie dem Tod seiner Mutter ausgelöst sein könnte.

Die bisherigen Ergebnisse der Genieinterpretation zusammenfassend, kann man sagen, dass durch die Figur Thierry Guettas Banksys weibliche Seite, Genie und Wahnsinn dargestellt wird. Als Projektion stellt sie die wahnsinnige oder weibliche Seite dar, als Person im Film wird die zum Genie gegensätzliche Form des Talents herausgearbeitet, welche das Genie Banksys noch erhöht. Das Talent bringt uns wieder zum weiblichen Teil, das dem Genie nacheifert, aber es nicht erreichen kann. Die Hysterie als Ausdrucksform des Wahnsinns ist wiederum eine Eigenschaft, die im 19. Jahrhundert den Frauen zugeschrieben wird. Ohne seine eigene Identität preis zu geben, zeigt uns Banksy als Regisseur des Films seine eigene Persönlichkeit.

Was Banksy selbst von Genies hält, hat er der Welt schon 2004 gezeigt, als er die Figur von Auguste Rodins Denker von 1880, der als Reflexionsfigur für den Künstler als Schöpfer steht und in der Darstellung über das menschliche Schicksal reflektiert und Symbol des Geniekults gilt[37], karikierte. Banksy nannte seine Figur Der Dummkopf und setzte ihr ein Straßenhütchen auf, was auf der Figur wie ein Party- oder Faschingshütchen wirkte.

Die Geniereligion

Am Ende meiner Ausführungen möchte ich auf der Grundlage von Zilsels Geniereligion und den Ausführungen von Nemeth darlegen, wie es im Film zu einer Transformation des Genies und der Genieverehrung von Banksy zu Thierry Guetta kommt. Voraussetzung ist die Annahme Zilsels, dass sich die Anhänger der Genies im Gegensatz zu einer Religion sich nicht auf ein ganz bestimmtes Individuum und Werk beziehen. Nemeth schreibt über die Unparteilichkeit, die die Geniereligion zu einer Pseudoreligion macht, da sich die Verehrung auf mehrere Individuen, deren Leistung keineswegs in Eintracht erbracht wird, sondern im Streben gegen bereits bestehende, anerkannte Leistungen bezieht.[38] Nemeth schreibt weiterhin; „Im zweiten, zentralen Teil des Buchs unternimmt es Zilsel, zu klären, was in diesen gegensätzlichen genialen Individuen als das Gemeinsame verehrt wird.“[39] Zilsel macht dies am Suggestionserlebnis, die dem Ich die Stärke einer übergroßen Person geben können und an der Reflexion fest, die er mit der „merkwürdigen Fähigkeit, auf unser Streben zu achten statt auf unser Ziel“[40] definiert. Mit den 3 daraus gewonnen Prinzipien der Reflexion[41] will ich nun den Film und die Person Guettas, dem die Stärke durch die Suggestion der übergroßen Erscheinung Banksys gegeben wurde, durchleuchten:

  1. „Die Reflexion wendet unsere Aufmerksamkeit vom Objekt ab und richtet sich auf das Subjekt.“ Dies erfolgt im Film dadurch, dass sich aus der Dokumentation der Street Art und Guettas Gefallen daran, in der Nacht die Arbeit der Künstler zu filmen zunehmend das Interesse und Verehrung der Künstler an sich, insbesondere Banksy, entwickelt. Verstärkt noch durch die Einsichten in die Werkstatt, wo also nicht mehr das Ergebnis der Arbeit, das Objekt zählt, sondern der schaffende Künstler.
  2. „In der Reflexion wenden wir uns vom Streben zum Betrachten.“ Die Anwendung in Zilsels Untersuchungen der Geniereligion führt zu einer gesellschaftlichen Trennung. Diese erfolgt auf der einen Seite durch die produktiven Individuen, welche zuerst durch Banksy, danach aber durch Guetta repräsentiert werden. Auf der anderen Seite steht die Gruppe der Verehrer, die zunächst durch Guettas Videokamera bei der Arbeit Banksys dargestellt wird. Aber auch hier wendet sich die Sichtweise, indem in der 2. Hälfte des Films Banksy (oder jemand anderer) Guetta bei der Arbeit beobachtet. Erst durch den Wechsel der beiden Protagonisten ist es den Zuschauern am Bildschirm wie auch den wartenden Massen vor Guettas Ausstellung möglich, das Bild des Genies in Guetta zu erkennen. Aus dem modernen Bedürfnis der Suggestion entsteht die ritualisierte Verehrung der produktiven Individuen, die den Verehrern die Teilhabe an der Begeisterung des produktiven Individuums bietet. Die Begeisterung für die Begeisterung befreit die Zuschauer_Innen von der Bedrohung, nichts Wesentliches mehr wirklich zu erleben und durch das Erkennen des Genialen kann er sich von der Masse abzuheben.[42] Verstärkt wird diese durch die oben erwähnten Spezialisten des Beobachtens.
  3. „Die Reflexion führt vom Inhalt zur Form“ erfolgt im Film über die Transformation der inhaltlich beladenen Kunst Banksys zur formalisierten, reproduzierenden Kunst Guettas.

Die Transformation wird im Film über die zunehmende Übertragung von Eigenschaften des Genies, wie sie oben beschrieben sind, auf Guettas Person im 2. Teil des Filmes ermöglicht. Sie beginnt nach der Heimkehr Guettas von Banksys Werkstatt. Während seine Frau sich um die Familie und die Finanzen sorgt erzählt uns Thierry Guetta, dass er frei wie ein Vogel sein will und man sieht symbolisch wie er seine Familie, wenn auch nur temporär, verlässt. Nach der Verhaftung in Disneyworld wird er schließlich für Banksy und damit auch für uns zum Helden, als er gegenüber dem FBI alles leugnet und Banksy vor der Offenlegung seiner Person bewahrt. Während der Arbeit in seiner neu gegründeten Werkstatt und bei der Vorbereitung seiner Show wird Guetta als zunehmend Besessener gezeigt, wobei es den Zuschauer_Innen schon nicht mehr auffällt, dass seine Arbeit wenig mit Kunst zu tun hat. Die mit dem Genie verbundene Melancholie wird durch das verzweifelte Gesicht Guettas nach dem Beinbruch visualisiert. Schließlich sind auch Banksy und Fairey von seiner Genialität begeistert, wobei der Focus auf der Persönlichkeit, und nicht am Werk liegt.

Auf Grundlage dieser Punkte kann uns Banksy im Film eine fiktive Persönlichkeit vorsetzen, die es uns durch die inhaltliche Anreicherung seiner (Guettas) Biografie mit Leben erleichtert, die Transformation des Genies von Banksy selbst zu Thierry Guetta mitzumachen. Dies ermöglicht den Regisseur Banksy wiederum, dass der_die Zuschauer_In durch die Transformation geblendet wird und so die im Film erzählte Geschichte als tatsächlich so geschehen annimmt. Verstärkt durch das Stilmittel der Videokamera erweckt dies bei den Zuschauer_Innen den Eindruck einer Dokumentation. Gleichzeitig steht die Transformation des Genies und der Verehrung von Banksy auf Guetta auch für die Transformation der Street Art von einer unabhängigen Kunstrichtung zu einer Massenware, die in Geschenkläden verkauft wird.


[1] Julia Reinecke, Street Art: eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz (Bielefeld 2007) 24

[2] Verena Krieger, Was ist ein Künstler? Genie – Heilsbringer – Antikünstler. Eine Ideen- und Kunstgeschichte des Schöpferischen (Köln 2007) 164

[3] Reinecke, Street Art, 57f.

[4] Banksy. In wikipedia.de, Version: WikitanvirBot, 21:54, 1.12.2011,‎, online unter <http://de.wikipedia.org/wiki/Banksy&gt; (19. Dezember 2011, 15:09)

[5] Claudia Joseph, Graffiti artist Banksy unmasked … as a former public schoolboy from middle-class suburbia. In: Dailymail, 12.07.2008, online unter: <http://www.dailymail.co.uk/femail/article-1034538/Graffiti-artist-Banksy-unmasked—public-schoolboy-middle-class-suburbia.html&gt; (19.12.2011)

[6] Daily mail reporter, Banksy revealed? Graffiti artist paints first ever ’self-portrait‘ on London office block. In: MailOnline, 11.05.2009, online unter <http://www.dailymail.co.uk/news/article-1180361 /Banksy-revealed-Graffiti-artist-paints-self-portrait-London-office-block.html> (19.Dezember 2011)

[7] Mr. Brainwash. In: Wikipedia.org, SkyMachine, 22:42, 18.12.2011‎, online unter <http://en.wikipedia. org/wiki/Mr._Brainwash> (19. Dezember 2011)

[8] Thierry Guetta. In: Wikipedia.de, 178.4.184.108, 15:05, 13.12.2011, online unter <http://de.wikipedia.org/wiki/Thierry_Guetta&gt; (19. Dezember 2011)‎

[9] Jason Felch, Getting at the truth of “Exit through the gift shop”. In: LATimes, 22.02.2011, online unter: <http://articles.latimes.com/2011/feb/22/entertainment/la-et-oscar-exit-20110222>(19. Dezember 2011)

[10] Jürgen Felix, Künstlerleben im Film. Zur Einführung. In:  Jürgen Felix (Hg.), Genie und Leidenschaft. Künstlerleben im Film, Bd. 6 (Filmstudien, hg. von Thomas Koebner, St. Augustin, 2000) 9

[11] Richard Schönenbach, Bildende Kunst im Spielfilm. Zur Präsentation von Kunst ein einem Massenmedium des 20. Jahrhunderts, Bd. 78 (Beiträge zur Kunstwissenschaft, hg. von Matthias Klein, München, 2000) 119

[12] Schönenbach, Bildende Kunst im Spielfilm, Bd.78, 132

[13] Schönenbach, Bildende Kunst im Spielfilm, Bd.78, 136

[14] Gallery Label Text, Campbell´s Soup Cans. In: Musem of Modern Art New York, online unter: <http://www.moma.org/collection/object.php?object_id=79809&gt; (20. Dezember 2011)

[15] Reinecke, Street Art, 60

[16] Georg Seeßlen, BASQUIAT (Julian Schnabl, USA). In: epd film, Nr.12 (Dezember 1996) 11

[17] Schönenbach, Bildende Kunst im Spielfilm, Bd. 78, 145

[18] Reinecke, Street Art, 50ff.

[19] Wilhelm Lange-Eichbaum, Wolfram Kurth, Genie, Irrsinn und Ruhm. Genie-Mythus und Patho-graphie des Genies (München/Basel 1967) 151f.

[20] Shelley Leopold, Mr. Brainwash bombs L.A. In: LA Weekly, 11.06.2008, online unter <http://www.laweekly.com/2008-06-12/art-books/mr-brainwash-bombs-l-a/&gt; (20. Dezember 2011)

[21] Elisabeth Nemeth, „Wir Zuschauer“ und das „Ideal der Sache“. Bemerkungen zu Edgar Zilsels „Geniereligion. In: Friedrich Stadler (Hg.), Bausteine wissenschaftlicher Weltauffassung, Bd. 3 (Vorträge des Instituts Wiener Kreis 1992 – 1995, Wien/ New York 1997) 168f.

[22] Reinecke, Street Art, 169ff

[23] Reinecke, Street Art, 19

[24] Rudolf und Margot Wittkower, Künstler, Außenseiter der Gesellschaft (Stuttgart/ Berlin/ Köln/ Mainz 1965) VII

[25] Krieger, Was ist ein Künstler?, 35

[26] Krieger, Was ist ein Künstler?, 38

[27] Krieger, Was ist ein Künstler?, 44

[28] Julia Köhne, Ein Genie auf Diät. Wissenschaftliche Theorien zu Genie und Wahnsinn im Film A beautiful Mind (2001). In: Torsten Junge, Dörthe, Ohlhoff (Hg.), Wahnsinnig genial. Der Mad Scientist-Reader (Aschaffenburg 2004) 228

[29] Krieger, Was ist ein Künstler? 50f.

[30] Niklas Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik, Bd.3 (Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Frankfurt am Main 1998) 183

[31] Krieger, Was ist ein Künstler? 71

[32] Cesare Lombroso, Entartung und Genie. Neue Studien (Dt. hg. von Hans Kurella , Leipzig 1894) 84

[33] Lombroso, Entartung und Genie, 83

[34] Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd 1(Frankfurt am Main 1986) 272

[35] Krieger, Was ist ein Künstler? 107

[36] Lange-Eichbaum, Genie, Irrsinn und Ruhm, 189

[37] Krieger, Was ist ein Künstler? 107

[38] Nemeth, „Wir Zuschauer“ und „Das Ideal der Sache“, 162

[39] Nemeth, „Wir Zuschauer“ und „Das Ideal der Sache“, 163

[40] Edgar Zilsel, Die Geniereligion. Ein kritischer Versuch über das moderne Persönlichkeitsideal, mit einer historischen Begründung (Neudruck, hg. von Johann Dvoràk, Frankfurt 1990) 110

[41] Nemeth, „Wir Zuschauer“ und „Das Ideal der Sache“, 164ff.

[42] Nemeth, „Wir Zuschauer“ und „Das Ideal der Sache“, 171f.

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